Corona-Pandemie, Glaukomfrüherkennung & Bilddokumentation: Berufspolitische Themen beim AAD-Kongress

Im Rahmen des Kongresses der Augenärztlichen Akademie Deutschland in Düsseldorf nahm Dr. Peter Heinz, 1. Vorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V., Stellung zu wichtigen berufspolitischen Themen.

© BVA
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Mehraufwand durch die Corona-Pandemie wird nicht honoriert

Zwei Jahre Corona – und ein Ende wird zwar immer wieder versprochen, ist aber angesichts immer neuer Mutationen nicht absehbar. Die ganze Gesellschaft sieht sich in einer Endlosschleife gefangen – den niedergelassenen Augenärzten in Deutschland geht es nicht anders. Mit erheblichem Aufwand ist es den Augenärztinnen und Augenärzten von Beginn an gelungen, die Versorgung ihrer Patienten jederzeit zu gewährleisten. Auch nach zwei Jahren Pandemie wird der Mehraufwand für die Behandlung jeder einzelnen Patientin und jedes einzelnen Patienten – zu nennen sind hier neben der Umorganisation der Praxis- und Behandlungsabläufe vor allem die zusätzlichen Hygienemaßnahmen, wie z.B. den noch häufigeren Einsatz von Einmalartikeln, die Anschaffungen entsprechender Luftreinigungsanlagen sowie die noch weiter maximierten hygienischen Erfordernisse vor, während und nach der Behandlung des Patienten – den Praxen jedoch nicht durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Diese aktuellen Anforderungen sind in den heutigen Bewertungen der Behandlungsziffern nicht enthalten.

Glaukomfrüherkennung: BGH bestätigt Position des BVA

In einer Endlosschleife sahen sich Augenärztinnen und Augenärzte auch über viele Jahre hinweg gefangen, wenn es um wichtige Früherkennungsuntersuchungen ging. Verbraucherzentralen und der medizinische Dienst der Krankenkassen wurden nicht müde, Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) als unnötig anzuprangern und Augenärztinnen und Augenärzten vorzuwerfen, sie hätten vor allem wirtschaftliche Gründe im Blick, wenn sie Patientinnen und Patienten etwa ein Glaukom-Screening empfahlen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem nun hoffentlich ein Ende gesetzt: Er bestätigte im vergangenen September, dass es ärztlich geboten ist, die Glaukomfrüherkennung anzubieten, auch wenn die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für diese Untersuchung nicht übernehmen (AZ: III ZR 63/20).
Das Glaukom entwickelt sich langsam und wird von den Betroffenen selbst erst bemerkt, wenn ein Großteil des Sehnervs unwiederbringlich zerstört ist. Nur mit einer augenärztlichen Früherkennungsuntersuchung kann die Krankheit frühzeitig entdeckt und rechtzeitig behandelt werden, so dass das Sehvermögen erhalten wird. Zum Glaukom-Check gehört die Betrachtung des Sehnervenkopfes, die Messung des Augeninnendrucks und unter Umständen die Messung der Hornhautdicke. Das Risiko, am Glaukom zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter, deshalb empfehlen augenärztliche Fachverbände das Glaukom-Screening spätestens ab dem Alter von 40 Jahren in regelmäßigen Abständen. Die S2e-Leitlinie „Bewertung von Risikofaktoren für das Auftreten des Offenwinkelglaukoms“ (1) erläutert im Detail, in welchen Abständen die Untersuchungen welchen Menschen empfohlen werden sollten. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür nicht, deshalb muss die Früherkennung als IGeL angeboten werden. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hatte gegen eine Patienteninformation des BVA geklagt wegen angeblich unzulässiger Tatsachenbehauptungen. Der BGH bestätigte jedoch, dass die Formulierungen der Patienteninformation nicht von Rechtsvorschriften abweichen. Es ist nun zu hoffen, dass dieses Urteil den andauernden Diffamierungen vonseiten der Verbraucherzentrale und der Krankenkassen ein Ende setzt.

Bilddokumentation: unverzichtbar, aber keine Kassenleistung

Neben der Glaukomfrüherkennung sehen sich Augenärztinnen und Augenärzte aber auch bei anderen wichtigen diagnostischen Leistungen gezwungen, diese als IGeL anzubieten. Immer wieder scheitert der Berufsverband mit seinen Anläufen, die Aufnahme etablierter und international selbstverständlich anerkannter Untersuchungsmethoden in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) durchzusetzen. Die fotografische Dokumentation der Befunde beispielsweise ist unverzichtbar. Ein Augenarzt, der darauf verzichtet, kann sich strafbar machen. 2016 verurteilte beispielsweise das Oberlandesgericht Hamm einen Augenarzt, der es unterlassen hatte, bei einem Glaukompatienten schon vor Beginn der Behandlung im Jahr 1998 eine Bilddokumentation des Sehnervenkopfes anzulegen (Urteil vom 15.01.2016, AZ 26 U 48/14). Honoriert werden die Netzhautfotografie und die Vorderabschnittsfotografie von den gesetzlichen Krankenkassen jedoch nicht. Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen stellt aber nicht erfüllbare Anforderungen an die Aufnahme diagnostischer Leistungen in den EBM. Nur mit einem evidenzbasierten Nachweis, dass der Einsatz eines Verfahrens sich positiv auf das Sehen der Patienten auswirkt, wäre die Aufnahme möglich. In wissenschaftlichen Studien ist es kaum möglich, diesen Nachweis zu erbringen, weil sie aus ethischer Sicht fragwürdig und sehr aufwändig wären. Augenärztinnen und Augenärzten bleibt also lediglich die Möglichkeit, diese Leistungen als IGeL zu erbringen – nur um sich dann wieder dem Vorwurf der Abzocke vonseiten der Verbraucherzentralen und der Krankenkassen ausgesetzt zu sehen. Hier muss sich schnellstens etwas ändern.

Dr. Peter Heinz
1. Vorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V.

Die Leitlinie „Bewertung von Risikofaktoren für das Auftreten des Offenwinkelglaukoms“ steht auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften zum Download bereit.