Was bewirkt die Ernährung beim Glaukom? Anpassung des Lebensstils kann die Therapie unterstützen
Die Ursache des POWG ist noch nicht bis ins letzte Detail erforscht, doch man weiß heute, dass es eine systemische neurodegenerative Erkrankung ist. Da eine Senkung des Augeninnendrucks nicht bei allen Patienten das Fortschreiten stoppen kann, sucht man nach ergänzenden Therapieansätzen. Prof. Dr. Carl Erb lenkt den Fokus auf die Themen Ernährung und Lebensstil.
Neue Einblicke in die krankhaften Prozesse beim Glaukom tragen dazu bei, dass sich das Verständnis der Augenkrankheit wandelt. Das primäre Offenwinkelglaukom(POWG) ist eine langsam voranschreitende Erkrankung des Sehnervs. Nach und nach gehen retinale Ganglienzellen verloren, der Sehnerv stirbt ab. Unbehandelt führt das Glaukom zur Erblindung. Die Behandlung der Augenkrankheit, die in Deutschland rund 923.000 Menschen betrifft1, zielt bisher auf die Senkung des Augeninnendrucks ab, um das Fortschreiten zu bremsen. Der Augeninnendruck wird medikamentös mit Augentropfen gesenkt, gegebenenfalls auch mit Lasereingriffen oder Operationen. Ergänzend zu dieser Therapie können eine Umstellung der Ernährung und eine Änderung des Lebensstils den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
Eine systemische neurodegenerative Erkrankung
Die Ursache des POWG ist noch nicht bis ins letzte Detail erforscht, doch man weiß heute, dass es – wie beispielsweise auch die Alzheimer- oder die Parkinson-Krankheit – eine systemische neurodegenerative Erkrankung ist. Grundlegende Mechanismen der Krankheit, die den Sehnerv betreffen, sind entzündliche Prozesse (Neuroinflammation) und oxidativer Stress. Beide tragen dazu bei, dass der Sehnerv allmählich degeneriert.
Von oxidativem Stress ist die Rede, wenn bei Stoffwechselprozessen ein Übermaß an reaktiven Sauerstoffverbindungen entsteht. Diese auch als freie Radikale bezeichneten Verbindungen können zelleigene Strukturen wie die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, angreifen. Ein zu hoher Augeninnendruck – ein wichtiger Risikofaktor für das Glaukom – behindert unter anderem die Versorgung des Sehnervs mit sauerstoffreichem Blut. Dadurch entsteht eine Unterversorgung mit Sauerstoff (Hypoxie). Es entwickelt sich eine Kettenreaktion, in der Wechselwirkungen zwischen oxidativem Stress, geschädigten Mitochondrien und entzündlichen Prozessen sich gegenseitig fördern2.
Da eine Senkung des Augeninnendrucks nicht bei allen Patienten das Fortschreiten des Glaukoms stoppen kann, sucht man intensiv nach ergänzenden Therapieansätzen. Die Reduzierung von oxidativem Stress ist ein Ansatz, der die verfügbaren Behandlungsstrategien ergänzen kann.
Risikofaktoren für das Glaukom: Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörung
Oxidativer Stress ist neben seiner Bedeutung für neurodegenerative Erkrankungen auch an der Entstehung von Bluthochdruck und Diabetes beteiligt. Bluthochdruck, vaskuläre Dysfunktion, Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen wiederum gelten als bedeutende systemische Risikofaktoren für die Entstehung eines POWG. Diese Risikofaktoren lassen sich durch eine gesunde, vielseitige Ernährung positiv beeinflussen.
Mikrobiom des Darms
Ein neuer Aspekt, auf den die Forschung ihr Augenmerk richtet, ist das Mikrobiom des Darms. Es gibt interessante Hinweise darauf, dass sich das Mikrobiom des Darms bei Menschen mit Glaukom anders zusammensetzt als bei Menschen ohne Glaukom3. Der Begriff Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit der Mikroorganismen, in diesem Fall im Darm des Menschen. Die Rolle, die das Mikrobiom des Darms für entzündliche Prozesse im Körper und für neurodegenerative Erkrankungen spielt, ist aktuell Gegenstand intensiver Forschung. Eine Umstellung der Ernährung kann die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen. Das therapeutische Potenzial für die Behandlung des Glaukoms muss noch weiter erforscht werden.
Ratschläge für eine gesunde Ernährung – auch für die Augen
Eine vielseitige, vitaminreiche und gesunde Ernährung kommt daher auf verschiedene Weisen auch den Augen zugute und kann die den Augeninnendruck senkende Therapie des Glaukoms unterstützen. Daneben schützt eine solche Ernährung auch vor anderen Augenkrankheiten wie der Altersbedingten Makuladegeneration. Folgende Ratschläge können dabei helfen:
- Es ist sinnvoll, regelmäßig zu festen Zeiten zu essen, um der zirkadianen Rhytmik des Körpers Rechnung zu tragen.
- Fettreiche Nahrung sollte man meiden, um den Gehalt an schädlichem LDL-Cholesterin im Blut zu senken.
- Auch Zucker sollte man nur in geringen Mengen zu sich nehmen, um Übergewicht, Typ-2-Diabetes und weiteren Folgekrankheiten vorzubeugen.
- Gemüse und Obst kann man dagegen reichlich zu sich nehmen
- Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt „5 am Tag“ – also drei Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst täglich. Damit diese Nahrungsmittel mit möglichst vielen Vitaminen auf den Teller kommen, empfiehlt es sich, vor allem Produkte mit kurzen Transportwegen zu wählen.
- Auch hochwertige Öle wie beispielsweise Olivenöl sind reich an Vitaminen und wertvollen Fettsäuren.
- Kaffee sollte man nicht im Übermaß zu sich nehmen.
- In Absprache mit dem Augenarzt/der Augenärztin kann auch die Einnahme antioxidativer Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein, um die im Körper effektiven Wirkspiegel der gewünschten Substanzen überhaupt zu erreichen.
Nicht rauchen – wenig Alkohol trinken – Sport treiben
Ergänzende Maßnahmen, die dem ganzen Körper zugutekommen und auch die Gesundheit der Augen fördern, sind ein Verzicht auf Nikotin, die Begrenzung des Alkoholkonsums und sportliche Aktivitäten – allerdings letztere ohne Leistungsdruck. Möglicherweise kann Sport auch das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen. Entspannungsübungen wie autogenes Training können die augendrucksenkende Behandlung zusätzlich ergänzen.
Fazit
Das Verständnis des POWG wandelt sich. Man weiß heute, dass es zu den neurodegenerativen Erkrankungen zählt. Die traditionelle Behandlung besteht in der Senkung des Augeninnendrucks. Auf diese Weise kann das Fortschreiten der Krankheit teilweise aufgehalten und das Sehvermögen bewahrt werden. Über eine Umstellung der Ernährung und des Lebensstils lassen sich Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörungen positiv beeinflussen. Ein gesunder Lebensstil mit abwechslungsreicher Ernährung, regelmäßiger Bewegung, wenig Alkohol und einem Verzicht auf Nikotin kommt somit auch der Gesundheit der Augen zugute.
Prof. Dr. Carl Erb, Ärztlicher Leiter, Augenklinik am Wittenbergplatz, Berlin
Quelle: AAD
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Quellen:
1 woche-des-sehens.de/infothek/zahlen-und-fakten/augenkrankheiten-zahlen-fuer-deutschland
2 Jassim AH, Inman DM and Mitchell CH (2021) Crosstalk Between Dysfunctional Mitochondria and Inflammation in Glaucomatous Neurodegeneration. Front. Pharmacol. 12:699623. doi: 10.3389/fphar.2021.699623
3 Foroogh Fahmideh, Nicoletta Marchesi, Annalisa Barbieri et al., Non-drug interventions in glaucoma: Putative roles for lifestyle, diet and nutritional supplements, Survey of Ophthalmology,