Honorare variabel gestalten, Steigerungssätze in der GOÄ sinnvoll nutzen

Im Gegensatz zum EBM, der auf Festpreisen basiert, offeriert die derzeit gültige GOÄ die Möglichkeit, Honorare durch Anwendung von Steigerungssätzen variabel zu gestalten. Allerdings wird diese Möglichkeit, insbesondere im Rahmen der niedergelassenen Praxis, seit Jahrzehnten häufig nicht genutzt.

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Dabei ist es mit relativ wenig zusätzlichem Aufwand möglich, die in § 5 GOÄ beschriebene Gebührenspanne vorteilhaft zu nutzen. In der Praxis ist nach wie vor ein Festhalten an den starren Multiplikatoren der „Regelsätze“ (2,3-/1,8-/1,15-fach) festzustellen, was eigentlich nicht Intention der Vorgaben des Gesetzgebers für einen Gebührenrahmen sein kann. Vielmehr sollte damit tatsächlich auch ein Gestaltungsspielraum eröffnet werden. |

Kriterien für die Gebührenbemessung

Nach § 5 Abs. 2 GOÄ kann der Arzt die Gebühren nach „billigem Ermessen“ unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwands der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung bestimmen. Die Schwierigkeit der Leistung kann nach der GOÄ auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalls begründet sein, wobei für die Anwendung des letztgenannten Kriteriums Leistungen der Abschnitte A, E und O der GOÄ nicht infrage kommen.

Die genannten Bemessungskriterien sind also die Grundlage für die Gestaltung der Honorarsätze, wobei auch ein Unterschreiten der zitierten „Regelsätze“ bei einzelnen Leistungen im Rahmen einer variablen Honorargestaltung berücksichtigt werden sollte. Für die Höherbewertung von Leistungen über die Regelsätze hinaus ist ein kleiner Aufwand im Rahmen der Rechnungslegung zu berücksichtigen. Grundlage hierfür ist § 12 Abs. 3 S. 1 GOÄ:

Begründungspflicht gemäß § 12 Abs. 4 S. 1 GOÄ: „Überschreitet eine berechnete Gebühr nach Absatz 2 Nr. 2 das 2,3-fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen; das gleiche gilt bei den in § 5 Abs. 3 genannten Leistungen, wenn das 1,8-fache des Gebührensatzes überschritten wird, sowie bei den in § 5 Abs. 4 genannten Leistungen, wenn das 1,15-fache des Gebührensatzes überschritten wird.“

Begründung höherer Steigerungsfaktoren

Die Begründung sollte außer den in § 5 Abs. 2 genannten Bemessungskriterien zusätzlich eine plausible, möglichst patientenindividuell nachvollziehbare medizinisch sachliche Begründung beinhalten. Wichtig ist hierbei, dass die Begründung nicht stereotype und undifferenzierte Pauschalbegründungen beinhaltet, sondern auch patientenindividuell nachvollziehbar auf die einzelne Leistung abgestellt ist. Beispiele für Begründungen bei

Beratungsleistungen
o Erhöhter Zeitaufwand bei umfassender Beratung wegen Umstellung der Therapie/Medikation
o Erhöhter Zeitaufwand bei umfassender Beratung wegen Therapieresistenz bei bereits lange bestehenden Beschwerden
o Erheblicher Zeitaufwand bei der Beratung, das gewöhnliche Maß übersteigend („Zeitdauer 35 Minuten“)

Untersuchungen
o Erhöhter Zeitaufwand bei Untersuchung in verschiedenen Organgebieten 
o Erschwerte Untersuchung bei krankheitsbedingter Unruhe (z. B. Abwehrhaltung, Hyperventilation)
o Erschwerte zeitaufwendige Untersuchung bei bestehender Immobilität

Kleinen operativen Eingriffen
o Erschwerte Präparation bei Entfernung an exponierter Stelle (z. B. Gesicht, Augenlid etc.),
o Zeitaufwändige Blutstillung bei Marcumar-Patient

Wichtig § 5 Abs. 2 GOÄ kann auch auf Versicherte der Postbeamtenkrankenkasse (PBeaKK) angewandt werden. Anders als z. B. Bundesbahnbeamte (KVB-Vertrag mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung!) unterfallen Postbeamte keinem Vertrag, der zum Ansatz bestimmter Steigerungssätze verpflichtet.

Kostenträger akzeptiert Begründung nicht ‒ was tun?

Allerdings kommt es vereinzelt vor, dass verschiedene Kostenträgern (z. B. Beihilfe) die Höherbewertung nicht akzeptieren. Präzise Gründe hierfür werden jedoch meist nicht mitgeteilt. Oft erfolgt lediglich der Hinweis, dass die Bemessungskriterien für die Höherbewertung aus Sicht des Kostenträgers nicht vorlägen. Zu beachten ist hierbei, dass der Patient (nicht der Kostenträger!) das Recht hat, gegenüber dem Arzt eine nähere Erläuterung zur Begründung zu verlangen. Grundlage hierfür ist § 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ.

Erläuterung der Begründung auf Verlangen gemäß § 12 Abs. 4 S. 1 GOÄ: „Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern. Soweit im Falle einer abweichenden Vereinbarung nach § 2 auch ohne die getroffene Vereinbarung ein Überschreiten der in Satz 1 genannten Steigerungssätze gerechtfertigt gewesen wäre, ist das Überschreiten auf Verlangen des Zahlungspflichtigen zu begründen.“

Dieser Pflicht zur näheren Erläuterung der Begründung sollte man gegenüber dem Patienten bei Ablehnung durch den Kostenträger unbedingt nachkommen, verbunden mit dem Hinweis, diese nähere Erläuterung beim Kostenträger nochmals zur Prüfung einzureichen. Falls die Plausibilität einer Begründung bereits durch die Diagnose nachvollziehbar ist, kann man jedoch durchaus als Argumentation auf die Plausibilität einer in der Rechnung angegebenen Diagnose zur angegebenen Begründung verweisen.

Beispiel: Diagnose als Begründung höheren Aufwands

Diagnose: Zustand nach Apoplex mit halbseitiger Lähmung; Begründung: Erschwerte zeitaufwendige Untersuchung bei bestehender Immobilität

Wird die Erstattung des höheren Steigerungssatzes weiterhin abgelehnt und der Patient weigert sich, den evtl. verbleibenden Selbstbehalt der Rechnung zu begleichen, bleibt leider nur die Möglichkeit, die Forderung gegenüber dem Patienten einzuklagen.