BGH-Urteile zum Femtosekundenlaser: Erste Entscheidung zu deren Umsetzung
Durch welche Vorschrift wird der Einsatz eines Femtosekundenlasers zur Behandlung einer Katarakt richtig abgerechnet? Entscheidend ist, unter welchen Voraussetzungen eine selbständige medizinische Leistung vorliegt.
Der Fall
Am 14. und 16. September 2015 nahm ein Augenarzt bei seinem Patienten eine Katarakt-Operation zum Preis von EUR 7.176,97 vor, wobei er einen Femtosekundenlaser einsetzte, um so den Grauen Star seines Patienten bestmöglich therapieren zu können. Die Katarakt-Operation hat in der Gebührenordnung keinen eigenen Vergütungstatbestand. Daher rechnete der Behandler die Operation entsprechend nach Nr. 1345, 5855a GOÄ ab. Die Private Krankenversicherung stritt sich im Anschluss daran mit dem Patienten über die Höhe des Honorars. Der Patient zahlte nur ein halb so hohes Honorar, weil seiner Ansicht nach die Fertigung individueller Schnittmuster und der Einsatz des Lasers nicht erforderlich waren. Nach Auffassung des LG Düsseldorf wurden die Abrechnungsnummern aus der GoÄ dagegen korrekt angewendet. Der Behandler hat also einen Anspruch auf Zahlung des gesamten Honorars gegen den Patienten, weil die Summe richtig abgerechnet wurde.
Fazit
Für die 3. Zivilkammer des LG Düsseldorf war die Heilbehandlung unter Einsatz des Femtosekundenlasers medizinisch indiziert. Zunächst gilt: nur was eine selbstständige Leistung ist, kann vom Arzt auch abgerechnet werden. Der Arzt wollte in diesem Fall während der Operation des Grauen Stars das Gewebe um das sog. „Operationsgebiet“ im Auge seines Patienten so gut es geht schonen. Darum war der Einsatz des Femtosekundenlasers ausnahmsweise unter diesen Umständen eine selbstständige Leistung. Der behandelnde Arzt hat grundsätzlich die Wahl, wie er eine OP durchführt. Er kann entweder händisch oder unter Zuhilfenahme eines Femtosekundenlasers das Operationsgebiet abstecken und bearbeiten. In diesem Fall ist der Einsatz eines Lasers nur eine Art der Ausführung und damit unselbständig von der eigentlichen Behandlung. Doch bei der OP am 14. und 16. September 2016 litt der Patient unter einer Hornhautverkrümmung, sodass der Einsatz des Lasers notwendig und damit „medizinisch indiziert“ war. Durch einen händisch chirurgischen Einsatz hätte beim Patienten nicht ein gleich gutes Ergebnis erzielt werden können. Ausnahmsweise ist der Femtosekundenlaser demzufolge eine „selbstständige ärztliche Leistung“.
Damit war das Honorar des behandelnden Augenarztes richtig berechnet worden.
Aus dem Urteil des LG Düsseldorf lassen sich zwei Grundsätze ableiten.
- Jeder Patient ist anders, so dann auch seine Abrechnung. Manche Patienten leiden unter Krankheiten oder Fehlentwicklungen ihrer Hornhaut. Daher kann es in solchen Fällen sogar sehr gut medizinisch vertretbar sein, einen Laser oder ein anderes Gerät zu verwenden, um ein optimales Operationsergebnis zu erzielen. Bei anderen Patienten ist der Einsatz eines Lasers dagegen nur eine mögliche Ausführungsart, sodass der Arzt hier zwischen dem händisch-chirurgischen oder dem maschinellen Verfahren auswählen darf. Deswegen liegt dann im Ergebnis aber keine selbstständige medizinische Leistung vor.
- Sofern es „medizinisch indiziert“ ist, liegt eine „selbstständige ärztliche Leistung“ aus der GOÄ vor, die dann unter entsprechender Zuhilfenahme der GOÄ-Normen auch zur vollen Höhe abgerechnet werden darf. Dadurch fällt das Honorar des Arztes logischerweise höher aus, sodass der Privatpatient auch eine höhere Summe von seiner Privaten Krankenversicherung beanspruchen kann.
Die Entscheidung
Die Entscheidung des LG Düsseldorf hat ein Regel-Ausnahme-Verhältnis skizziert. Ausnahmsweise macht die Gesundheit des Patienten eine Behandlung mit einem bestimmten Gerät notwendig (z.B. Astigmatismus größer 0,5 dpt). Sie hat ferner definiert, wann etwas medizinisch indiziert ist und wann deswegen eine selbstständige medizinische Leistung gegeben ist, die die Abrechnung von Nr. 5855a GOÄ rechtfertigt.
Praxisanmerkung
In der Praxis hängt die medizinische Notwendigkeit, aus der dann das medizinische Indiziert-Sein einer Behandlung erwächst, von der sorgfältig getroffenen Ermessensentscheidung des Arztes ab.
Korrespondierende GOÄ Ziffern
Gilt Nr. 5855a GOÄ oder Nr. 441 GOÄ bei der Abrechnung einer Femtosekundenlaserbehandlung? Die analoge Anwendbarkeit der Abrechnungsnummer Nr. 5855a GOÄ auf eine interoperative Strahlenbehandlung ist grundsätzlich gerechtfertigt, hängt aber davon ab, ob eine selbstständige medizinische Leistung nach § 4 II S.1, § 6 II GOÄ vorliegt. Bei der Behandlung eines Grauen Stars ist die analoge Anwendung von Nr. 5855 GOÄ gerechtfertigt, wenn eine eigenständige medizinisch indizierte Leistung vorliegt. Nur was eigenständig medizinisch indiziert ist, kann auch selbstständiger Rechnungsposten sein.
Urteil des LG Düsseldorf Az: 3-S 11/18-Berufungsurteil vom 7. Oktober 2021
Rüdiger Gedigk
Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht
KANZLEI für ARBEIT & GESUNDHEIT