Grundlagenforschung: Zusammenhänge zwischen Ernährung, Augengesundheit und Lebenserwartung
Forscher des kalifornischen Buck Institute haben zum ersten Mal einen Zusammenhang zwischen Nahrungsaufnahme, zirkadianem Rhythmus, Augengesundheit und Lebenserwartung bei Drosophila nachgewiesen. Ihre in „Nature Communications“ veröffentlichten Studie zeigt, dass Vorgänge im Auge den Alterungsprozess der Fliege steuern.
Studien haben gezeigt, dass es beim Menschen einen Zusammenhang zwischen Augenerkrankungen und schlechter Gesundheit gibt. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass es sich um mehr als nur eine Korrelation handelt: Funktionsstörungen des Auges können tatsächlich Probleme in anderen Geweben hervorrufen", erklärt der Hauptautor Prof. Pankaj Kapahi, dessen Labor seit Jahren nachweist, dass Fasten und Kalorienreduktion viele Funktionen des Körpers positiv beeinflussen können. „Wir zeigen nun, dass Fasten nicht nur das Sehvermögen verbessert, sondern dass das Auge tatsächlich eine Rolle bei der Beeinflussung der Lebensspanne spielt.“
Prof. Kapahi forscht am Buck Institute for Research on Aging, eine gemeinnützige Einrichtung mit Sitz in Novato, Kalifornien. Das 1999 eröffnete Institut ist weltweit die erste biomedizinische Forschungseinrichtung, die sich ausschließlich mit der Erforschung des Alterns und altersbedingter Krankheiten befasst.
„Die Erkenntnis, dass das Auge selbst, zumindest bei der Fruchtfliege, die Lebensspanne direkt regulieren kann, war für uns eine Überraschung", so der Hauptautor Brian Hodge, PhD, der als Postdoktorand im Labor von Kapahi arbeitete.
Die Erklärung für diese Verbindung, so Hodge, liegt in den zirkadianen Uhren, der molekularen Maschinerie in jeder Zelle eines jeden Organismus. Sie hilft den Zellen dabei, sich an die täglichen Belastungen anzupassen, wie etwa die durch den Lauf der Sonne verursachten Licht- und Temperaturschwankungen. Diese 24-Stunden-Oszillationen bzw. zirkadiane Rhythmen beeinflussen beispielsweise komplexe Verhaltensweisen im Tierreich wie die Schlaf-Wach-Zyklen, aber auch die Feinabstimmung der zeitlichen Regulierung molekularer Funktionen der Gentranskription und die Translation, die Synthese von Proteinen in den Zellen, die nach Vorgabe genetischer Information an den Ribosomen abläuft.
Im Jahr 2016 veröffentlichte Kapahis Labor eine Studie in der Zeitschrift Cell Metabolism, die zeigte, dass Fruchtfliegen bei eine reduzierter Nahrungsaufnahme signifikante Veränderungen in ihren zirkadianen Rhythmen aufwiesen, was wiederum ihre Lebensspanne verlängert. Als Hodge später im selben Jahr zum Labor stieß, wollte er herausfinden, welche Prozesse, die die zirkadianen Funktionen verbessern, durch die Ernährungsumstellung verändert wurden und ob zirkadiane Prozesse für die längere Lebensspanne, die durch die Einschränkung der Nahrungsaufnahme beobachtet wurde, erforderlich waren.
„Die Fruchtfliege hat eine so kurze Lebensspanne, dass sie ein wirklich tolles Modell ist, mit dem wir viele Dinge auf einmal untersuchen können", sagte Hodge. Die Studie begann mit einer breit angelegten Untersuchung, um herauszufinden, welche Gene zirkadian oszillieren – bei Fliegen mit nicht reduzierter Nahrungsaufnahme bzw. bei Fliegen, die nur 10 Prozent des Proteins der nicht reduzierten Nahrungsaufnahme erhielten.
Sofort fielen Hodge zahlreiche Gene auf, die sowohl auf die Ernährung reagierten als auch zu verschiedenen Zeitpunkten Auf- und Abschwünge zeigten, also „rhythmisch“ waren. Er entdeckte dann, dass die rhythmischen Gene, die am stärksten durch die Reduzierung der Nahrung aktiviert wurden, alle aus dem Auge zu stammen schienen, insbesondere aus den Photorezeptoren, den spezialisierten Neuronen in der Netzhaut, die auf Licht reagieren.
Dieser Befund führte zu einer Reihe von Experimenten, die darauf abzielten, zu verstehen, wie die Funktion der Augen mit der Erkenntnis zusammenhängt, dass eine reduzierte Nahrungsaufnahme die Lebensspanne verlängern kann. So führten sie beispielsweise Experimente durch, die zeigten, dass die Haltung von Fliegen in ständiger Dunkelheit ihre Lebenserwartung verlängert. „Das kam uns sehr seltsam vor", sagt Hodge. "Wir dachten, die Fliegen bräuchten rhythmische oder zirkadiane Lichtreize".
Beeinflussen die Gene im Auge, die ebenfalls rhythmisch sind und auf Nahrungseinschränkungen reagieren, also die Lebenserwartung? Die Antwort lautete: Ja, das tun sie.
„Wir betrachten das Auge immer als ein Organ, das uns zum Sehen dient. Wir betrachten es aber nicht als etwas, das geschützt werden muss, um den gesamten Organismus zu schützen", so Prof. Kapahi.
Da die Augen so stark der Außenwelt ausgesetzt sind sei die Immunabwehr dort besonders aktiv, was zu Entzündungen führen kann. Wenn sie über einen längeren Zeitraum bestehen, können diese Entzündungen eine Reihe häufiger chronischer Krankheiten verursachen oder verschlimmern. Darüber hinaus kann Licht eine Degeneration der Photorezeptoren verursachen, was wiederum zu Entzündungen führen kann.
„Das Starren auf Computerbildschirme und Telefondisplays, aber auch die Lichtverschmutzung bis weit in die Nacht hinein sind Faktoren, die die zirkadiane Uhr stark stören", konstatiert prof. Kapahi. „Dadurch wird der Schutz des Auges gestört, was Folgen haben kann, die über die Sehkraft hinausgehen und auch den Rest des Körpers und das Gehirn schädigen.
Noch ist vieles unklar, was die Rolle betrifft, die das Auge für die allgemeine Gesundheit und die Lebensdauer eines Organismus spielt. Wie reguliert das Auge die Lebensdauer der Fliegen? Und gilt derselbe Effekt auch für andere Organismen?
Die wichtigste Frage, die diese Studie für den Menschen aufwirft, lautet: Beeinflussen Photorezeptoren bei Säugetieren die Langlebigkeit? Wahrscheinlich nicht so sehr wie bei der Fruchtfliege, meint Hodge und weist darauf hin, dass bei der Fruchtfliege der Großteil der Energie für das Auge aufgewendet wird. Da Photorezeptoren aber nur spezialisierte Neuronen sind, sei die wichtigste Verbindung, die er sehe, die Rolle, die die zirkadiane Funktion in Neuronen im Allgemeinen spielt, insbesondere wenn man die Nahrungsaufnahme reduziere, und wie diese genutzt werden kann, um die neuronale Funktion während des Alterns zu erhalten.
Sobald die Forscher verstehen, wie diese Prozesse ablaufen, können sie gezielt in die molekulare Uhr eingreifen, um den Alterungsprozess zu verlangsamen, so Hodge, der hinzufügt, dass der Mensch möglicherweise seine Sehkraft erhalten kann, indem er die Uhren in seinen Augen aktiviert. „Das könnte durch Ernährung, Medikamente oder Änderungen des Lebensstils geschehen... Es liegen noch viele wirklich interessante Forschungsarbeiten vor uns", sagte er.
Quelle: Buck Institute