FEMCAT: Vorschlag des Bundesverbands Deutscher OphthalmoChirurgen gerichtlich überprüft
Der Augenarzt darf eine gesonderte Leistung (Nr. 5855a GOÄ), die nicht notwendigerweise im Rahmen einer Kataraktoperation erbracht werden muss, für die aber im Einzelfall eine eigenständige medizinische Indikation besteht (hier: präoperativ deutlich reduzierte Endothelzellzahl beidseits), zusätzlich zur Nr. 1375 GOÄ abrechnen, ohne dadurch gegen das sog. Doppelberechnungsverbot zu verstoßen.
Sachverhalt: Präoperativ war bei der 68-jährigen Patientin am 07.06.19 eine Zelldichte gemessen worden von 2170 Zellen je Quadrat-mm rechts und 2088 links. Die Variation der Zellgröße habe sich rechts im unteren Grenzbereich befunden. Die hexagonale Struktur der Zellen habe rechts im Grenzbereich gelegen. Die hexagonale Form der Endothelzellen habe sich am linken Auge weniger ausgeprägt gezeigt, was für einen zunehmenden Schaden gesprochen habe. Am linken Auge bestand der Z.n. Verschluss eines Venenastes der Netzhaut, ein Ödem war im OCT präoperativ nicht nachweisbar. Am 17.07.19 bzw. 24.07.19 erfolgte die Kataraktoperation mit Einbringung einer Standardlinse unter Verwendung des Femtosekundenlasers „zur optimalen IOL-Zentrierung und Reduzierung des Hornhautastigmatismus“ unter Berechnung der Nr. 5855a GOÄ mit dem 2,3-fachen Steigerungsfaktor.
Die Entscheidung: Die Femtosekundenlaser-assistierte Katarakt-Operation war bekanntlich Gegenstand höchstrichterlicher Bewertung durch den BGH in seinen Urteilen vom 14.10.21, III ZR 350/20 und III ZR 353/20. Seither ist geklärt, dass die Laseranwendung nicht ohne Bezug zum angetroffenen Patientenbefund beurteilt und abgerechnet werden kann. Die eigentliche Aussage dieser Entscheidungen beschränkt sich auf die Feststellung, dass die Linsenkernverflüssigung durch den Laser nicht per se und zwar bei einem jeden Kataraktpatienten also schon aufgrund des generellen Behandlungsansatzes indiziert ist, sondern trotz Erprobtheit des Verfahrens noch zusätzlich jeweils der inneren Rechtfertigung durch einen individuellen Befund bedarf. Die Entscheidungen treffen aber weder eine Aussage dazu, in welchen Fällen von einer solchen individuellen Indikation ausgegangen werden kann, noch dazu, unter welchen Voraussetzungen der Lasereinsatz außerhalb seiner Verwendung zur Emulsifikation der Linsen Anwendung findet und abgerechnet werden kann (für den Fall der arcuaten Inzisionen wurde die eigenständige Abrechenbarkeit durch das LG Düsseldorf [Urt. v. 24.02.2022, 3 S 11/18] bejaht; für den Fall der achsgerechten Linseneinbringung ist dies Gegenstand diverser gerichtlicher Verfahren).
Der Bundesverbands Deutscher OphthalmoChirurgen (BDOC) hatte sich zu der Empfehlung veranlasst gesehen, Nr. 5855a GOÄ im Rahmen der Katarakt-Operation gar nicht mehr abzurechnen, und zwar auch dann nicht, wenn der Arzt bei dem jeweiligen Patienten eine eigenständige medizinische Indikation zu seiner Anwendung bejaht. Die Laseranwendung dürfe auch dann lediglich nach Nr. 441 GOÄ abgerechnet werden. Diese Rechtsauskunft trägt indes nicht, wenn man sich die Umsetzung der BGH-Entscheidungen durch die Amts- und Landgerichte ansieht, da insofern immer wieder der genau gegenteilige Standpunkt für richtig eingestuft wurde (AG Köln, Urt. v. 22.06.2022, 146 C 112/19; LG München I, Beschl. v. 14.02.2022, 9 O 18420/20; LG Duisburg, Beschl. v. 11.07.2022, 4 O 311/20).
Dem schließt sich das Amtsgericht Gemünden nun an. Es führt aus, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur gesonderten und zusätzlichen Abrechnung einer Analogziffer, insbesondere der Nr. 5855a GOÄ bestätigt habe, wenn es sich um eine selbständige Leistung handele, die eigenständig medizinisch indiziert ist. Für den vorliegenden Fall war es unstreitig, dass beidseits eine deutlich reduzierte Endothelzellzahl und ein makulärer Venenastverschluss am linken Auge vorgelegen hatte. In einer Metaanalyse betreffend 15.000 Augen (American Acadamy of Ophthalmology: Efficacy and safety of Femtosecond Laser-Assisted Catarat Surgery Compared with Manual Cataract Surgery, Ophthalmology Volume 123, Number 10, October 2016, S. 2113-2125) sei festgestellt worden, dass bei Verwendung eines Femtosekundenlasers postoperativ die Anzahl der Endothelzellen signifikant höher gewesen sei als bei einer Durchführung mittels Phakoemulsifikation, es sei unstreitig eine höherer Endothelzellverlust bei konventioneller Operationstechnik zu erwarten als bei Verwendung eines Femtosekundenlasers. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hatte im Rahmen seines Gutachtens auf die Stellungnahme der DGII vom 22.02.2022 verwiesen wonach eine eigenständige Indikation zur Laser-Assisted-Cataract-Surgery (LCS) bestehe, wenn der Bestand an Endothelzellen auch unter Berücksichtigung der Lebenserwartung des Patienten auf ein kritisches Maß präoperativ abgesunken sei. Dem schloss er sich an und das Gericht folgte ihm.
Fazit: In der Praxis empfiehlt es sich, einen Katalog von eigenständigen Indikationen zu entwickeln, in denen eine LCS durchgeführt und dann zusätzlich zu Nr. 1375 GOÄ durch den analogen Ansatz von 5855a GOÄ abgerechnet werden soll. Der PKV-Verband ist dem kategorischen Abrechnungsverbot des BDOC zwar gefolgt, nicht aber die aktuelle zivilgerichtliche Rechtsprechung.
Amtsgericht Gemünden a. Main, Urt. v. 19.08.2022, (F) 14 C 72/21
Normen: § 4 Abs. 2a, § 6 GOÄ, Nr. 1375, Nr. 5855a GOÄ
Rüdiger Gedigk
Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht
KANZLEI für ARBEIT & GESUNDHEIT