FLACS/Astigmatismuskorrektur: Gerichte folgen der DGII-Stellungnahme vom 22.02.2022
Der Augenchirurg darf eine gesonderte Leistung – hier Astigmatismuskorrektur durch Arcuate Inzisionen mit dem Femtosekundenlaser – zusätzlich zur Nr. 1375 GOÄ abrechnen, ohne dadurch gegen das sog. Doppelberechnungsverbot zu verstoßen.
Dieser Lasereinsatz kann mit Nr. 5855a GOÄ abgerechnet werden, wenn ein vorbestehender und operationswürdiger Astigmatismus ab 0,5 dpt korrigiert wird.
Sachverhalt: Der 1946 geborene Kläger wies folgende Befunde auf: Pseudophakie, HKL, beiseitig; Schiel-OP; Zustand nach Anisometropie, höheren Grades; linkes Auge: Normaldruck-Glaukom; rechtes Auge. Netzhautablösung, Hornhautpigmentbeschläge (Krukenb.Spin); subjektive Refraktion am 26.02.2019 präop LA: +3,75 sph-1,5 cyl. Achse 57°. In der Dokumentation findet sich der Eintrag „Astigmatismus über 1 dpt“.
Die Entscheidung: Die Femtosekundenlaser-assistierte Katarakt-Operation war bekanntlich Gegenstand höchstrichterlicher Bewertung durch den BGH in seinen Urteilen vom 14.10.21, III ZR 350/20 und III ZR 353/20. Durch diese Entscheidungen wurde eingegrenzt, was genau Inhalt der Zielleistung nach Nr. 1375 GOÄ ist und festgestellt, dass regelmäßig – wenn also nicht eine individuelle Indikation des jeweiligen Patienten etwas anderes erfordert – der Einsatz des Femtosekundenlasers zur Phakoemulsifikation durch Nr. 1375 GOÄ schon erfasst ist und zusätzlich dann nur die Nr. 441 als bloßer Zuschlag abgerechnet werden kann. Die vorliegende Entscheidung betraf hingegen die Astigmatismuskorrektur durch Arcuate Inzisionen im Kontext der Kataraktoperation – mithin eine refraktive Zielsetzung, die von der Zielleistung der Nr. 1375 GOÄ jedenfalls nicht abgedeckt ist. Alleine fraglich war deshalb, ab welchem Wert ein operationswürdiger Astigmatismus anzunehmen sei und mit welcher GOÄ-Ziffer die Arcuaten Inzisionen des Lasers abzurechnen waren.
Zu der ersten Frage vertrat der gerichtlich bestellte Sachverständige den Standpunkt, die Indikation zur chirurgischen Korrektur bestehe zwischen 0,75 bis 1,5 dpt (unter Hinweis auf: Nunez MX et al, Consensus on the management of astigmatism in cataract surgery, Clin Ophthalmol. 2019;13:311-324), während der PKV-Verband sich auf die überholte Stellungnahme der BÄK berief, wonach ein Mindestwert von 1 dpt zu fordern sei. Der Sachverständige nahm indes weiter Bezug auf die Stellungnahme der DGII, die eine Indikation schon ab 0,5 dpt befürwortet (so schon LG Köln, Urt. v. 16.01.2020, 23 O 215/17 für den T-Cut), wenn eine Korrektur im Rahmen der Laser-Assisted-Cataract-Surgery (LCS) erfolge.
Zu der zweiten Frage sprach sich der Sachverständige dafür aus, die Arucaten Inzisionen nicht als Hornhautplastik nach Nr. 1345 GOÄ (in direkter oder analoger Anwendung) einzuordnen, da sie berührungslos durch Gewebeverdampfung bzw. Photodisruption erfolgen, die von Hand mit einer Klinge so gar nicht ausgeführt werden können. Diese Wirkweise des Femtosekundenlasers sei durch die jüngste Rechtsprechung zur GOÄ immer wieder der Nr. 5855a GOÄ zugeordnet worden (AG Gemünden a.M., Urt. v. v. 19.08.22, 14 C 72/21; AG Köln, Urt. v. 22.06.22, 146 C 112/19) und zwar gerade auch für die auch hier durchgeführten Arcuaten Inzisionen (LG Düsseldorf, Urt. v. 24.02.2022, 3 S 11/18; so auch schon die Empfehlung der Ärztekammer Niedersachsen v. 08.10.2020 zu Ri.-345).
Fazit: Damit bleibt die Abrechnung der Nr. 5855a GOÄ weiterhin aktuell und zwar (auch) im Hinblick auf die Astigmatismus-Chirurgie, sofern Arcuate Inzisionen mit dem Laser durchgeführt werden und ein Wert von mindestens 0,5 dpt präoperativ vorlag. Jedenfalls bei diesem Lasereinsatz zu refraktiv-therapeutischen Zwecken spricht nichts gegen eine zusätzliche Laser-Vereinbarung mit GKV-Versicherten, da die refraktive Chirurgie nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist.
Amtsgericht Schwelm, Urt. v. 08.09.2022, 22 C 297/20
Normen: § 4 Abs. 2a, § 6 GOÄ, Nr. 1375, Nr. 5855a GOÄ
Rechtsanwalt Michael Zach
Kanzlei für Medizinrecht