Fortbildungspflicht für angestellte Ärzte: Folgen für das Honorar
Die Pflicht eines Vertragsarztes zur fachlichen Fortbildung ist regelmäßiges Streitthema. Normiert ist diese Pflicht seit dem Jahr 2004 in § 95d SGB V. Da eine Verletzung der Fortbildungspflicht mit empfindlichen Sanktionen seitens der KV verbunden sein kann, führen diese Fälle oft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Vielfach wird sogar die Verfassungswidrigkeit des § 95d SGB V gerügt. Bisher sind die Gerichte jedoch stets von der Verhältnismäßigkeit der Regelungen ausgegangen. Dennoch sollte dieser Punkt weiter im Blick behalten werden und in Einzelfällen bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung vorgebracht werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen ärztlicher Fortbildung
Genau genommen normiert § 95d Abs. 1 SGB V nicht die Pflicht zur Fortbildung, sondern die Pflicht zum Nachweis der Fortbildungsleistungen. Jeder Vertragsarzt hat alle fünf Jahre gegenüber der zuständigen KV nachzuweisen, dass er sich im erforderlichen Umfang fortgebildet hat. Die KBV hat den Umfang der Fortbildungsverpflichtung auf 250 Punkte festgesetzt.
Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen diese Pflicht sind jedoch häufig nicht präsent, obwohl sie drastisch ausfallen können: Die KV ist verpflichtet, das Honorar des Vertragsarztes in den auf den Fristablauf folgenden Quartalen
- zuerst um zehn Prozent und
- ab dem fünften Quartal um 25 Prozent zu kürzen.
Sollte ein Vertragsarzt auch zwei Jahre nach Ablauf des Fünf-Jahreszeitraums die gebotene Fortbildung nicht nachgewiesen haben, droht sogar die Entziehung seiner Zulassung. Darüber hinaus sind auch disziplinarrechtliche Maßnahmen wie eine Geldbuße von bis zu 10.000 Euro möglich.
Was ist mit angestellten Ärzten?
Diese Rahmenbedingungen greifen auch für angestellte Ärzte, z. B. in einem MVZ oder bei einem Vertragsarzt. In dieser Konstellation ist jedoch das anstellende MVZ oder der anstellende Vertragsarzt als Zulassungsinhaber für die Erbringung der Nachweise verantwortlich. Sollte der angestellte Arzt seiner Pflicht nicht nachkommen, haftet der Arbeitgeber dafür. Die Gesetzesbegründung stellt dazu recht nüchtern fest, der Arbeitgeber könne „aufgrund seiner Weisungsbefugnis und durch organisatorische Maßnahmen, wie z. B. das Aufstellen eines Fortbildungsplans, frühzeitig dafür Sorge tragen, dass alle bei ihm angestellten Ärzte die Fortbildungspflicht erfüllen und im Falle hartnäckiger Weigerung das Beschäftigungsverhältnis kündigen und damit Honorarkürzungen vermeiden oder deren Laufzeit reduzieren.“
Nach dem Willen des Gesetzgebers wird im Falle einer Pflichtverletzung der angestellten Ärztin oder des angestellten Arztes das gesamte Honorar des Arbeitgebers gekürzt. Eine anderslautende Vorgabe der KBV, wonach sich die Kürzung nur auf den Honorarteil des betreffenden angestellten Arztes bezieht, wurde als rechtswidrig bewertet (Sozialgericht Marburg, Urteil vom 18.03.2015, Az. S 13 KA 60/11). Wer also Ärzte angestellt hat, sollte sehr genau auf die Einhaltung der Nachweispflicht bei seinen Angestellten achten, andernfalls wird das gesamte Honorar der Praxis bzw. des MVZ um zehn Prozent gekürzt.
Wer eine Honorarkürzung verhindern will, muss laut Gesetzesbegründung bei hartnäckiger Weigerung zur Kündigung greifen. Dabei sind die weiteren gesetzlichen Regelungen zur Kündigungsfrist zu beachten. Gewissheit lässt sich also nur erlangen, wenn angestellte Ärzte möglicherweise schon sechs Monate im Voraus gekündigt werden. Das Sozialgericht München stellte in einem Urteil vom 12.09.2018 (Az. S 38 KA 5127/17) darauf ab, dass auch bei einer späteren Kündigung sich die Honorarkürzung allenfalls auf einen überschaubaren Zeitraum beziehen würde und der angestellte Arzt bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auch noch Leistungen zugunsten des Arbeitgebers vornehmen könne. Daher seien Honorarkürzungen hinzunehmen.
Ist das noch verfassungsgemäß?
Es gibt zahlreiche obergerichtliche Rechtsprechungen, die sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Zulassungsentziehung und Honorarkürzung auseinandersetzen und diese bejahen. Diese Entscheidungen erfolgten im Kontext von Sachverhalten, in denen Vertragsärzte teilweise jahrelange Honorarkürzungen hingenommen haben oder kaum bzw. gar keine Fortbildungsnachweise vorgelegt haben. Die Fortbildungsnachweispflicht soll der Sicherung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung dienen. Da es hierbei um schwerwiegende Allgemeininteressen geht, genießen diese Vorrang vor der ungehinderten beruflichen Entfaltung der Ärzte. Daher wurden die Sanktionsregelungen auch als verhältnismäßig und damit bislang als verfassungsgemäß erachtet.
Zweifel an der Verhältnismäßigkeit dürften jedoch in den Fällen aufkommen, in denen z. B. ein einzelner angestellter Arzt in einem MVZ die notwendigen Fortbildungspunkte erbringt, aber lediglich den Nachweis von z. B. fünf Punkten wenige Tage zu spät einreicht. Ausgehend vom Wortlaut des § 95d SGB V wäre auch hier das gesamte Honorar des MVZ ‒ das sind bei größeren Einheiten schnell Verluste in sechsstelliger Höhe pro Quartal. Wurde die Fortbildung absolviert und der Nachweis lediglich mit geringer Verzögerung übersendet, ist die Qualitätssicherung allerdings nur in geringem Maße bzw. faktisch nicht betroffen. Die beschriebenen Honorarkürzungen dürften zumindest in derart gelagerten Fällen nicht länger als verhältnismäßig gelten.
Fazit: Zulassungsinhaber sollten genau auf die Einhaltung der Fortbildungsnachweispflicht bei sich sowie ggf. den angestellten Ärzten achten, um empfindliche Sanktionen zu vermeiden. Sollte es dennoch zu einer Honorarkürzung kommen, könnte es sich lohnen, in gravierenden Einzelfällen die Verfassungsmäßigkeit der Norm anzuzweifeln.