Augeninfarkt schnell und sicher behandeln: Universitäts-Augenklinik des Saarlandes beteiligt sich an Studie
Die Klinik für Augenheilkunde (Direktor: Prof. Dr. Berthold Seitz) und die Klinik für Neurologie (Direktor: Prof. Dr. Klaus Faßbender) am Universitätsklinikum des Saarlandes UKS in Homburg prüfen zusammen mit anderen deutschen Kliniken eine neue Behandlungsoption beim Augeninfarkt. Der nicht-arteriitische, thromboembolische Zentralarterienverschluss ist ein akuter neurovaskulär-ophthalmologischer Notfall.
Zeit ist Netzhaut, sagen die Augenärztinnen und Augenärzte, denn bei einem Augeninfarkt sollte schnell reagiert werden. „Auslöser ist ein Blutgerinnsel, das die Blutgefäße verstopft, die unsere Netzhaut mit Sauerstoff versorgen“, erläutert Prof. Dr. Berthold Seitz, Direktor der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum des Saarlandes. „Das führt zu einem Sauerstoffmangel und das Gewebe kann innerhalb kürzester Zeit absterben, schwere Schäden sind die Folge.“ Die Symptome beim Augeninfarkt treten in der Regel schlagartig auf. Es kommt zu Sehverschlechterungen innerhalb von Sekunden. Oft berichten Patientinnen und Patienten von einem dauerhaften Schatten auf dem ganzen Auge. Dabei sind die Auswirkungen meist schmerzlos. „Bei diesen Anzeichen ist eine unmittelbare Notfallversorgung notwendig, die Betroffenen sollten direkt ein Krankenhaus aufsuchen, im Idealfall eine Augenklinik. Man sollte keine Scheu haben und ohne Verzögerung medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Denn unbehandelt führt der Augeninfarkt in rund 95 Prozent der Fälle zu einem schweren und dauerhaften Sehverlust im betroffenen Auge“, appelliert Prof. Seitz.
Seltene Erkrankung und schwierige Therapiebedingungen
Da statistisch betrachtet weniger als einer von 100.000 Menschen einen Augeninfarkt erleidet, zählt dieses Krankheitsbild zu den seltenen Erkrankungen. Die UKS-Augenklinik behandelt pro Jahr etwa 30 Betroffene, die aus der Großregion nach Homburg kommen. Doch die Ausgangslage ist schwierig, meist sehen die Ärztinnen und Ärzte das Krankheitsbild mit zeitlicher Verzögerung. „Um das Blutgerinnsel als direkten Auslöser zu behandeln, muss man in einem Zeitfenster von wenigen Stunden bleiben. Dann kann der Verschluss im Idealfall mit einem Medikament aufgelöst werden“, erläutert Fabian Fries, Oberarzt an der Homburger Universitäts-Augenklinik und Prüfarzt der REVISION-Studie.
Wobei diese sogenannte Thrombolyse- oder auch kürzer Lyse-Therapie, wie sie ebenfalls zur Behandlung von Schlaganfällen im Gehirn genutzt wird, in der Vergangenheit nicht immer ohne Weiteres eingesetzt werden konnte. Bislang wurde ein Medikament mit einem Katheter über einen Zugang in der Leiste bis zum Auge gebracht und dann dort lokal verabreicht. Damit führt man die Therapie zwar ganz gezielt und direkt am Gerinnsel durch, es gibt aber entscheidende Nachteile: „Einerseits braucht dieser Eingriff etwas Zeit für die Vorbereitung und Durchführung, das beeinflusst die Entscheidung im eh schon sehr engen Therapie-Zeitfenster. Zudem ist eine Vollnarkose notwendig und diese Verabreichungsform ist nicht für Patientinnen und Patienten geeignet, die durch andere Erkrankungen oder ihr Alter ein höheres Risiko für Komplikationen beim Eingriff haben. Aber genau diese Menschen im gehobenen Alter und mit Herz-Kreislauf- und anderen Erkrankungen sind die Hauptrisikogruppe für einen Augeninfarkt.“
REVISION-Studie: Medikament wird über die Venen verabreicht
In der doppelblind und placebo-kontrollierten klinischen Studie REVISION arbeiten die Fachdisziplinen Neurologie und Augenheilkunde eng zusammen. Etwa 30 deutsche Zentren sind beteiligt, das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert die Studie mit rund 4 Mio. Euro. Insgesamt sollen 400 Patientinnen und Patienten behandelt werden. „Da der Augeninfarkt eine so seltene Erkrankung und das Zeitfenster für die Lyse-Therapie eng ist, kommt der deutschlandweiten Zusammenarbeit eine große Bedeutung zu. Wir in Homburg werden vermutlich etwa 15 Patientinnen und Patienten in die Studie einbringen können“, so Dr. Alaadin Abdin, Oberarzt und Leiter der Makulasprechstunde.
REVISION untersucht, ob mit einer frühzeitigen, über die Venen verabreichten Lyse-Therapie innerhalb von 4,5 Stunden nach Beeinträchtigung des Auges, ein Zentralarterienverschluss im Auge aufgelöst werden kann. Dabei wird ein Medikament eingesetzt, das nicht mehr über das aufwändigere Katheter-Verfahren verabreicht werden muss. In der Praxis bedeutet das für Betroffene in Zukunft also, dass sie am Universitätsklinikum des Saarlandes unter bestimmten Voraussetzungen mit der neuen Methode behandelt werden können. Die Klinik für Augenheilkunde und die Klinik für Neurologie (Prof. Dr. Klaus Faßbender) des UKS arbeiten dabei eng zusammen. Die Diagnose des Augeninfarkts wird in der Klinik für Augenheilkunde gestellt, die Lyse-Therapie und die anschließende Überwachung erfolgen in der Neurologischen Klinik. Das hierfür genutzte Medikament wird von den Neurologen über einen venösen Zugang verabreicht. Es wird also in die Vene gespritzt, verteilt sich über das Blut im Körper und kann dann den Verschluss im Auge auflösen. „Diese Verabreichungsform ist schneller und das Risiko für Komplikationen wird gesenkt“, erklärt PD Dr. Piergiorgio Lochner, Oberarzt der Klinik für Neurologie und Prüfarzt der REVISION-Studie.
Alle Patientinnen und Patienten mit Augeninfarkt profitieren
Mit Blick auf die geringen Fallzahlen und das enge Zeitfenster für die Lyse-Therapie wird offensichtlich, dass nur bei einem kleinen Teil der Patientinnen und Patienten die neue Behandlungsform zum Einsatz kommen kann. Doch auch eine weitere Patientengruppe wird in der Studie betrachtet. „Betroffene, bei denen der Augeninfarkt zwischen 4,5 und 12 Stunden zuvor aufgetreten ist, nehmen wir in eine zweite Beobachtungsgruppe auf“, sagt Oberarzt Fabian Fries. „Diese Patientinnen und Patienten werden von uns genauestens untersucht, wie generell all unsere Augeninfarkt-Betroffenen.“ Denn sie haben eines gemeinsam: Bei allen liegen in der Regel systemische Erkrankungen vor, die zu dem Augeninfarkt geführt haben. Das können beispielsweise eine durch Kalkablagerungen verengte Halsschlagader, ein Vorhofflimmern oder andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein. Oftmals sind den Betroffenen diese Vorerkrankungen gar nicht bekannt. „Aus anderen Studien wissen wir, dass sehr viele Menschen nach einem Augeninfarkt innerhalb von sechs Wochen einen Schlaganfall erleiden. Daher ist eine umfassende internistische Untersuchung sehr wichtig. So können systemische Erkrankungen direkt identifiziert und behandelt werden, um so das generelle Schlaganfall-Risiko zu senken.“ Letztendlich bedeutet dies, dass alle Patientinnen und Patienten mit einem Augeninfarkt von einer zeitnahen Diagnose profitieren – je früher, desto besser. Wenn schlagartig Symptome auftreten und man eventuell sogar weiß, dass man zur Risikogruppe für Schlaganfälle gehört, ist Schnelligkeit geboten. Auch Oberarzt Dr. Alaadin Abdin macht wieder deutlich, dass dann der schnellste Weg ins Krankenhaus führen sollte: „Warten Sie im Zweifelsfall nicht auf den nächsten Morgen oder den nächsten Werktag, denn beim Augeninfarkt drängt die Zeit.“