Therapieansätze bei trockener AMD

Mit Pegcetacoplan hat die FDA im Februar erstmals einen Wirkstoff gegen geographische Atrophie zugelassen. Prof. Dr. Sandra Liakopoulos, Goethe-Universität Frankfurt und Cologne Image Reading Center, sprach im Rahmen der Auftaktpressekonferenz der AAD über die Wirksamkeit dieser Therapie, die damit verbundenen Herausforderungen für die augenärztliche Versorgung und Entwicklungen in der Pipeline.

Prof. Dr. Sandra Liakopoulos. Bild: Uniklinik Köln
Prof. Dr. Sandra Liakopoulos. Bild: Uniklinik Köln

Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine der Hauptursachen für Sehbehinderung und Erblindung in Deutschland und weltweit. Von einem Frühstadium sind in Deutschland knapp sieben Millionen Menschen betroffen, Spätstadien sind bei etwa 480.000 Menschen hierzulande festzustellen. Es ist zu erwarten, dass aufgrund der steigenden Lebenserwartung die Zahl der von einer AMD betroffenen Personen weiter zunehmen wird. Während es für die schnell voranschreitende neovaskuläre Spätform der AMD inzwischen etablierte Behandlungsmöglichkeiten gibt, fehlt bisher die Möglichkeit, die langsamer voranschreitende trockene Spätform der AMD, die geographische Atrophie, aufzuhalten.

Bald könnte es aber erstmals eine Therapie für die geographische Atrophie geben, die zumindest deren Größenwachstum verlangsamen kann. Für zwei Wirkstoffe, Pegcetacoplan und Avacincaptad pegol wurde die Zulassung bereits beantragt. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) hat Pegcetacoplan Ende Februar für diese Indikation zugelassen. In Europa ist 2024 mit einer Entscheidung über dieses Medikament zu rechnen. Zudem laufen weitere Studien, unter anderem für Gentherapien, die in der Zukunft die Behandlungsmöglichkeiten noch erweitern könnten.

Frühe und späte Formen der AMD

Die AMD hat multifaktorielle Ursachen. Die Bezeichnung „altersabhängig“ nennt jedoch schon einen wichtigen Risikofaktor: das Alter. Die Krankheit beginnt schleichend und zeichnet sich zunächst durch Ablagerungen am hinteren Augenpol aus, die als Drusen bezeichnet werden. In diesem frühen Stadium bemerken Patienten häufig wenige bis keine Symptome. Kommt es im Verlauf zu einem Einwachsen von Blutgefäßen unter die Netzhaut und zum Austreten von Flüssigkeit aus diesen neugebildeten Gefäßen, so kann die Sehkraft plötzlich sinken. Seit 15 Jahren stehen mit den VEGF-Inhibitoren wirksame Medikamente zur Verfügung, welche den Sehverlust bremsen und die Sehkraft sogar wieder verbessern können.

Auch ohne neugebildete Blutgefäße kann die Sehkraft bedroht sein: durch einen progredienten Untergang von Pigmentepithelzellen und der lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut, der Fotorezeptoren. Diese Spätform der Makuladegeneration wird als geographische Atrophie bezeichnet. Sie führt zu einer langsam schleichenden Abnahme des Sehvermögens. Ist das Zentrum der Makula, die Fovea, betroffen, entsteht in der Mitte des Gesichtsfeldes ein blinder Fleck. Das äußere Gesichtsfeld bleibt erhalten, sodass sich die Betroffenen meist weiter im Raum orientieren können. Lesen beispielsweise oder Gesichter erkennen ist hingegen nicht mehr möglich. Die Erkrankung kann bis hin zu einer Erblindung im Sinne des Gesetzes fortschreiten. Eine ausgewogene mediterrane Ernährung und Verzicht auf das Rauchen haben einen positiven Effekt auf den Verlauf der Erkrankung. Bislang steht jedoch keine zugelassene Therapie zur Verfügung.

Multimodale Bildgebung hilft, die AMD zu verstehen

Um neue Behandlungsmöglichkeiten für eine Krankheit zu finden, ist es zunächst notwendig, die Abläufe, die die Krankheit verursachen, besser zu verstehen. Hier hat die moderne multimodale Bildgebung, bei der die Optische Kohärenztomographie (OCT) eine besondere Rolle spielt, in den vergangenen Jahren einen enormen Lernfortschritt ermöglicht. Internationale Gruppen von Wissenschaftlern haben gemeinsam Biomarker definiert, die für die Klassifikation der AMD von Bedeutung sind und bei der Beurteilung helfen, wie groß im einzelnen Fall das Risiko für eine Progression der Krankheit ist.

Während die Bildgebung objektive Befunde liefert, die in Studien als Kriterium genutzt werden können, um die Wirksamkeit einer Behandlung zu beurteilen, ist die zentrale Sehschärfe bei der geographischen Atrophie nur bedingt als klinischer Endpunkt für Therapiestudien geeignet. Eine frühe AMD verursacht schließlich noch keine oder nur geringe Einschränkungen der Sehschärfe. Zu einem deutlichen Visusabfall kommt es erst dann, wenn der Punkt des schärfsten Sehens von der Atrophie betroffen ist.

Ein Ansatzpunkt bei der trockenen AMD: das Komplementsystem

Vor wenigen Jahren zeigte sich, dass in der Entwicklung der trockenen AMD das Komplementsystem eine wichtige Rolle spielt. Das Komplementsystem ist Teil des Immunsystems. Zu ihm gehören mehr als 30 Proteine. Ihre Aufgabe ist es, die Oberfläche von Krankheitserregern zu bedecken, sodass sie von Fresszellen sicher erkannt und zerstört werden. Das Komplementsystem löst zudem Entzündungsreaktionen aus, die den Kampf gegen eine Infektion unterstützen. Gerät das Komplementsystem aus dem Gleichgewicht, dann kann es an verschiedenen Krankheiten beteiligt und für Gewebsschäden verantwortlich sein. Das ist auch bei der geographischen Atrophie der Fall. Die beiden neuen Medikamente zielen auf Bestandteile des Komplementsystems, um dessen Wirkung zu hemmen.

Das synthetische Molekül Pegcetacoplan bindet sich an den Komplementfaktor C3. Wird es monatlich oder alle zwei Monate ins Augeninnere gegeben, dann verlangsamt sich das Wachstum der geographischen Atrophie. Das wurde in Phase III-Studien für den Zeitraum von 24 Monaten nachgewiesen. Der Wirkstoff Avacinacaptad pegol setzt beim Komplementfaktor C5 an. Auch für dieses Medikament liegen Phase III-Studiendaten vor, die belegen, dass das Wachstum der geographischen Atrophie gebremst wird. Ein funktioneller Benefit konnte in den bisherigen Studien nicht nachgewiesen werden, jedoch kann eine Verlangsamung des Wachstums einer Atrophie Patienten zum Beispiel wertvolle Zeit mit erhaltener Lesefähigkeit schenken, bevor das Sehzentrum von der Erkrankung betroffen ist. Es besteht die Aussicht, dass diese beiden Medikamente bald eine Zulassung in Deutschland erhalten werden. Sie müssen in regelmäßigen Abständen ins Auge gegeben werden.

Herausforderung für die augenärztliche Versorgung

So positiv die Nachricht ist, dass es neue Möglichkeiten gibt, das Sehvermögen zu erhalten – für die augenärztliche Versorgung ist es eine große Herausforderung. Die Medikamente müssen in regelmäßigen Abständen von ein bis zwei Monaten ins Auge gegeben werden. Das Verfahren der intravitrealen operativen Medikamentengabe (IVOM) ist seit Jahren bewährt. Für die Patienten sind die häufigen Kontrolltermine und Behandlungen jedoch aufwändig. Augenarztpraxen und –kliniken stehen vor der Aufgabe, für eine große Zahl von Patienten, die vorher nicht behandelt werden konnten, nun die nötigen Kapazitäten zu schaffen. Schließlich muss das Gesundheitssystem dafür auch die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen.

Weitere Therapieansätze in der Erforschung

Es gibt noch weitere Therapieansätze, an denen Arbeitsgruppen weltweit forschen. Dazu gehören Behandlungen, die auf den Schutz der Nerven abzielen (Neuroprotektion), die den Sehzyklus beeinflussen (Sehzyklusinhibitoren), die Entzündungen hemmen (antiinflammatorische Therapie), Netzhaut-Implantate, und schließlich gentherapeutische Ansätze. Letztere werden schon seit den 90er Jahren als Mittel gegen chronische Krankheiten erforscht. Das Auge ist für den Einsatz von Gentherapien besonders gut geeignet, weil nur wenig Gewebe behandelt werden muss und weil es vergleichsweise einfach ist, das Medikament an seinen Zielort zu bringen. In Phase I- und Phase II-Studien wird derzeit GT-005 untersucht. Dieses Medikament soll dafür sorgen, dass im Auge ein Wirkstoff produziert wird, der das Komplementsystem im Gleichgewicht hält. Dieser Ansatz hätte den Vorteil, dass eine einmalige Behandlung eine lange Wirksamkeit hat.

Fazit

Die altersabhängige Makuladegeneration ist die häufigste Ursache für Sehbehinderung und Blindheit in Deutschland. Bisher gab es nur für die neovaskuläre Spätform der AMD wirksame Behandlungen, doch in naher Zukunft könnten auch erste Therapien für die trockene AMD zugelassen werden. In den USA wurde der erste Wirkstoff bereits zugelassen, in Europa wird die Entscheidung darüber 2024 erwartet. Ziel ist es, das Wachstum einer geographischen Atrophie zu verlangsamen und so die vorhandene Sehkraft länger zu erhalten. Damit sind auch große Herausforderungen für das Gesundheitssystem verbunden.

Prof. Dr. Sandra Liakopoulos
Goethe-Universität Frankfurt / Cologne Image Reading Center, Klinik für Augenheilkunde, Uniklinik Köln