Urteil: Femtosekundenlaser-assistierte Katarakt-Operation bei verminderter Endothelzellzahl
In den vergangenen Jahren ergingen viele, sich teils widersprechende Gerichtsurteile zur Frage, ob der Augenarzt für die Femtosekundenlaserbehandlung bei Katarakt die Ziffer 5855 GOÄ analog abrechnen darf. Das Landgericht Würzburg hat am 22.12.2022 einen klärenden Beschluss gefasst:
Ist die Zahl der Endothelzellen in dem an Katarakt erkrankten Auge gemindert, rechtfertigt dies den Einsatz eines Femtosekundenlasers und mithin die Abrechnung dieser Leistung analog Ziffer 5855 GOÄ, weil der Lasereinsatz die Endothelzellen im Gegensatz zur Phakoemulsifikation schont. Damit greift das Landgericht die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu diesem Thema auf.
Die Femtosekundenlaser-assistierte Katarakt-Operation stellt grundsätzlich keine eigenständige neue Operationsmethode, sondern lediglich eine besondere Ausführungsart der in Nummer 1375 GOÄ beschriebenen extrakapsulären Katarakt-Operation mittels Linsenkernverflüssigung dar (Bundesgerichtshof, Urteile vom 14.10.2021 - III ZR 350/20 und III ZR 353/20).
Laut BGH ergibt sich auch keine eigenständige medizinische Indikation für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei einer Katarakt-Operation daraus, dass die Lasertechnologie eine präzisere Schnittführung ermöglicht und durch die Reduzierung der benötigten Ultraschallenergie gegenüber der Standard-Katarakt-Operation für die Gewebestrukturen, die sich im Nahbereich der getrübten Linse befinden, schonender sein soll, insbesondere auf Grund einer geringeren Belastung des Hornhautendothels. Laut BGH ist aber denkbar, dass im Einzelfall eine medizinische Indikation besteht.
Hier hat das Landgericht diese medizinische Indikation im Einzelfall bejaht.
Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen ergebe sich aus der unstreitig präoperativ bestehenden verminderten Endothelzellzahl an beiden Augen des Patienten eine medizinische Indikation für den Einsatz des Lasers. Eine gesunde Hornhaut weise eine durchschnittliche Endothelzellzahl von 2200 bis 3200 Zellen pro Quadratmillimeter auf. Die Zelldichte beim Patienten von 2170 bzw. 2082 Zellen pro Quadratmillimeter habe im unteren Grenzbereich gelegen. In einer Studie, in der 15.000 Augen analysiert worden seien, habe ein statistisch signifikanter Unterschied in der postoperativen Endothelzelldichte nach konventioneller Kataroperation (Phakoemulsifikation) und nach einer Femtosekundenlaser-assistierten Katarakt-Operation bestanden. Bei Verwendung des Femtosekundenlasers sei die Anzahl der Endothelzellen signifikant höher gewesen als bei der Durchführung mittel Phakoemulsifikation. Daher sei die medizinische Indikation für den Einsatz des Lasers vorliegend zu bejahen. Dies entspräche sowohl der Stellungnahme der Deutschsprachigen Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, Interventionelle und Refraktive Chirurgie (DGII) vom 22.02.2022 zu den oben zitierten Urteilen des Bundesgerichtshofs sowie den Feststellungen des Amtsgerichts Köln in seinem Urteil vom 06.10.2021, Az. 146 C 112/20.
Praxisanmerkung
Mit den Urteilen des BGH ist die Rechtslage nun klarer: Um die analoge Verwendung der Ziiffer 5855 GOÄ zu rechtfertigen, bedarf es also einer besonderen medizinischen Indikation im Einzelfall, wie zum Beispiel eine verminderte Endothelzellenzahl (oder wie im Fall des AG Bochums (Urteil vom 27. Oktober 2022 – 47 C 31/20) eine subluxatio lentis). Diese medizinische Indikation ist von dem behandelnden Arzt hinreichend zu dokumentieren.
Denkbare medizinische Indikationen im Einzelfall für den Femto-Lasereinsatz sind:
- verminderte Endothelzellenzahl
- engere Platzverhältnisse am Auge z.B. bei asiatischen Patienten
- subluxatio lentis
- enge Lidspalte
- tiefliegende Augen
Um Streitigkeiten mit dem Patienten oder dessen privater Krankenversicherung schon im Ansatz zu vermeiden, sollte der Arzt die besondere medizinische Indikation schon in der Rechnung erwähnen und anmerken, dass zum Beispiel die Laserbehandlung die verminderten Endothelzellen schont.
(Landgericht Würzburg, Beschluss vom 22.12.2022, AZ.: 53 S 1296/22)
Von Rechtsanwalt Philip Christmann, Fachanwalt für Medizinrecht, Berlin, christmann-law.de