US Studie: Niedrig dosiertes Atropin verlangsamt Myopie-Progression
Die Ergebnisse der CHAMP-Studie (Childhood Atropine for Myopia Progression) legen nahe, dass in den USA die erste medikamentöse Therapie zur Verlangsamung des Fortschreitens der Myopie bei Kindern zugelassen werden könnte.
In dieser randomisierten klinischen Studie mit 573 Teilnehmern in der Sicherheitsgruppe und 489 Teilnehmern in der modifizierten Intention-to-Treat-Gruppe führte die Behandlung mit niedrig dosiertem Atropin im Vergleich zu Placebo zu einer geringeren Myopieprogression und Achsverlängerung über einen Zeitraum von drei Jahren. Die Ergebnisse der CHAMP-Studie wurden in JAMA Ophthalmology veröffentlicht.
Etwa einer von drei Erwachsenen weltweit ist kurzsichtig, und es wird prognostiziert, dass die globale Prävalenz der Myopie bis 2050 auf 50 % ansteigen wird. In den Vereinigten Staaten oder Europa sind keine pharmazeutischen Produkte zur Behandlung von Kurzsichtigkeit zugelassen. Tierversuche haben aber bereits vor Jahren angedeutet, dass Atropin das Wachstum des Auges verlangsamen kann. Doch die Beeinträchtigung des Nahsehens durch das hoch dosierte Medikament und Bedenken hinsichtlich der Pupillenerweiterung verhinderten, dass das Alkaloid als Therapie für Myopie beim Menschen eingesetzt wurde. Neuere Forschungsergebnisse deuten jetzt darauf hin, dass eine niedrige Dosis von Atropin die Lösung sein könnte.
Atropinkonzentration von 0,01 % bzw. 0,02 % untersucht
In dieser neuen randomisierten, doppelt verblindeten Phase-III-Studie wurden die Sicherheit und Wirksamkeit von zwei niedrig dosierten Atropin-Lösungen untersucht. Die Teilnehmer waren zwischen 3 und 16 Jahre alt. Sie hatten einen sphärischen Refraktionsfehler von -0,50 Dioptrien (dpt) bis -6,00 dpt und einen Astigmatismus von höchstens -1,50 dpt. Das primäre Ziel war die Bewertung der Myopieprogression bei Teilnehmern, die bei der Randomisierung 6 bis 10 Jahre alt waren. Sie erhielten für 36 Monate einmal täglich entweder Placebo oder niedrig dosierte Atropin-Augentropfen zu 0,01 % oder 0,02 %. Das Medikament wurde vor dem Schlafengehen gegeben, wodurch die störende Nebenwirkung des verschwommenen Sehens auf ein Minimum reduziert wurde.
Die Forscher waren etwas überrascht, als sie feststellten, dass die signifikantesten Verbesserungen zu allen Zeitpunkten im Vergleich zu Placebo von der 0,01%igen Atropin-Lösung erzielt wurden. Die Formulierung mit 0,02 % verlangsamte das Fortschreiten der Myopie zwar ebenfalls besser als Placebo, aber die Ergebnisse waren weniger konsistent.
„Die Ergebnisse der 0,01%igen Formulierung sind klarer und deutlicher, da sie sowohl das Wachstum des Auges deutlich verlangsamt als auch zu einer niedrigeren Brillenstärke führt“, so die Hauptautorin der Studie, Karla Zadnik, Professorin und Dekanin des College of Optometry an der Ohio State University.
Die Einbeziehung der Messung des Augenlängenwachstums war ein Schlüsselelement der Studie, denn „das Feld bewegt sich tatsächlich in Richtung Achsverlängerung, die genauso wichtig ist – oder sogar wichtiger – als die Brillenverordnung, wenn es um das aussagekräftigste Ergebnis geht“, sagte sie. „Wenn wir versuchen, das Augenwachstum zu verlangsamen, um damit schlechte Ergebnisse für Menschen in ihren 80ern zu verhindern, ist die direkte Messung des Augenwachstums wirklich wichtig“.
Beide niedrig dosierten Formulierungen waren sicher und gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Lichtempfindlichkeit, allergische Bindehautentzündung, Augenreizung, erweiterte Pupillen und verschwommenes Sehen, obwohl nur wenige Berichte über diese Nebenwirkungen vorlagen.
Die CHAMP-Studie war die erste Studie mit niedrig dosiertem Atropin, die drei Jahre lang auch Placebo-Kontrollen umfasste und an der eine große, heterogene Population aus 26 klinischen Einrichtungen in Nordamerika und fünf Ländern in Europa teilnahm. In einem zweiten Teil der Studie untersuchen die Forscher, wie die Augen nach Beendigung der Behandlung reagieren.
Zulassung bei der FDA beantragt
Das experimentelle Medikament wird ohne Konservierungsstoffe hergestellt und soll zur Vermeidung von Verunreinigungen nach Zulassung in Einwegverpackungen vertrieben werden. Atropin in niedriger Dosierung, das derzeit in Apotheken erhältlich ist, kann Konservierungsstoffe enthalten, die zu trockenen Augen und Hornhautreizungen führen können, so die Forscher.
Das in der CHAMP-Studie untersuchte Medikament wird von Vyluma hergestellt, einem biopharmazeutischen Unternehmen aus New Jersey. Vyluma, eine Tochtergesellschaft von Nevakar Inc., hat die Studie gesponsert und bei der FDA einen Antrag auf Zulassung eingereicht.
Zadnik leitete die Studie als bezahlte Fachberaterin für Vyluma. Jennifer Fogt, Assistenzprofessorin an der Ohio State University, arbeitete ebenfalls an der Studie mit. Weitere Co-Autoren waren Erica Schulman vom SUNY College of Optometry, Ian Flitcroft vom Center for Eye Research in Dublin, Irland, Louis Blumenfeld von Eye Physicians of Central Florida.
Quelle: Ohio State University
Zum Thema niedrig dosiertes Atropin laufen in Deutschland die von Prof. Dr. Wolf A. Lagrèze, Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg, geleitete AIM Studie sowie die von Studie Dosisevaluierung von Atropin-Augentropfen zur Hemmung der Myopieprogression von Pharma Stulln in Zusammenarbeit mit Universitäts-Augenklinik des Saarlandes in Homburg und dem Makula-Netzhaut-Zentrum von Breyer, Kaymak & Klabe Augenchirurgie in Düsseldorf.