Ambulantisierung in der Augenheilkunde - DOG: Erhalt von Spezialkompetenzen und stationären Versorgungsoptionen sowie ausreichende Finanzierung notwendig
Die Augenheilkunde gilt als Vorreiterin der Ambulantisierung: Bereits heute werden 84 Prozent der Patientinnen und Patienten in deutschen Augenkliniken ambulant behandelt. Dennoch benötigen bestimmte Fälle weiterhin eine stationäre Therapie, etwa wenn zusätzlich eine Demenz oder komplexe Augenerkrankungen vorliegen.
Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e.V. (DOG) fordert daher, die Kompetenzen und Strukturen zur Versorgung auch dieser teils schwer oder an komplexen Augenerkrankungen erkrankten Patientinnen und Patienten an Kliniken zu erhalten. Dies setze zum einen dringende Anpassungen im Vertrag für ambulant durchführbare Operationen (AOP-Vertrag) voraus, der solche Faktoren derzeit nur unzureichend berücksichtigt. Zum anderen müssten auch zukünftig stationsassoziierte Kompetenzzentren mit auskömmlicher Finanzierung erhalten bleiben – beispielsweise für Schieloperationen bei Kindern.
Die Augenheilkunde ist ein weitreichend ambulantisiertes Fach. Große Fortschritte in der minimal-invasiven Ophthalmochirurgie haben erfreulicherweise längst dazu geführt, dass im Bereich Augenheilkunde immer weniger Eingriffe stationär durchgeführt werden müssen. So werden heute bereits etwa 85 Prozent der Operationen des grauen Stars und über 75 Prozent der übrigen ophthalmochirurgischen Operationen ambulant erbracht. „Dennoch gibt es immer wieder Patientinnen und Patienten, die einen stationären Aufenthalt benötigen, um sicher behandelt zu werden“, sagt Professor Dr. med. Claus Cursiefen, Generalsekretär der DOG. Dies sei beispielsweise bei einem an Demenz erkrankten Patienten oder einer Patientin mit nur einem Auge der Fall, die nach einer Operation zeitweise auch an ihrem einzig verbliebenen Auge nur wenig sieht. „Diese Patientinnen und Patienten können sich nach einer Operation schlicht nicht selbst versorgen, wie etwa mit Augentropfen oder Verbänden“, erläutert Cursiefen. Zugleich gibt es komplexe Augenerkrankungen und Operationen, die sicher nur unter stationärer Überwachung durchführbar sind, beispielsweise weil es nach der Operation zu akuten Glaukomanfällen oder Blutungen in das Auge oder die Augenhöhle kommen kann, die unbehandelt zur Erblindung führen.
Regelungen im AOP-Katalog entsprechen nicht der Lebens- und Behandlungswirklichkeit
Im neuen AOP-Katalog, der regelt welche Operationen und Eingriffe ambulant stattfinden sollen, sind aus Sicht der DOG solche Kontextfaktoren, die eine stationäre Behandlung notwendig machen, nicht ausreichend definiert. So könnten nach den derzeitigen Regelungen Katarakt-Operationen nur noch in sehr seltenen Fällen stationär durchgeführt werden. „Die aktuellen Regelungen im AOP-Katalog entsprechen nicht der Lebens- und Behandlungswirklichkeit“, kritisiert der DOG-Generalsekretär. Um die absehbaren Versorgungslücken zu überbrücken, gibt es zwar eine Übergangsregelung, die noch bis Ende 2023 eine stationäre Behandlung in bestimmten Fällen erlaubt. „Es braucht jedoch dringend eine dauerhafte Definition von augenspezifischen Behandlungssettings, bei denen eine stationäre Behandlung zur Sicherung der optimalen Versorgungsqualität weiterhin möglich ist. Deshalb appellieren wir an die Vertragsparteien, den GKV-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), eine entsprechende Anpassung des AOP-Vertrages vorzunehmen“, sagt Cursiefen. Dazu erarbeitet die DOG gemeinsam mit anderen augenärztlichen Verbänden konkrete, medizinisch fundierte Vorschläge. „Gemeinsam mit den Partnerverbänden ist die DOG bereit, sich intensiv einzubringen und gemeinsam eine Lösung zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten zu erarbeiten“, so Cursiefen weiter.
Ein weiteres Risiko, das sich aus der zunehmenden Ambulantisierung ergibt, ist der drohende Verlust von „Kompetenzzentren“ an Augenkliniken. So fanden bisher in Deutschland jährlich die rund 15.000 Schieloperationen fast ausschließlich an etwa 25 strabologischen Abteilungen an Augenkliniken statt. „Hier zeigt sich ganz klar: Die Kompetenz zur Behandlung von Schielenden liegt nahezu ausschließlich im Bereich strabologischer Abteilungen an Augenkliniken“, so Cursiefen, der auch Direktor des Zentrums für Augenheilkunde der Uniklinik Köln ist.
Diese Operationen müssen nach neuem AOP-Vertrag weitgehend ambulant erfolgen, was auch dem Wunsch vieler Eltern entspricht und medizinisch auch oft machbar ist. Derzeit ist jedoch die Finanzierung der ambulanten Schiel-Operationen bei weitem nicht auskömmlich, weshalb die Eingriffszahlen reduziert werden und noch längere Wartezeiten für die Patientinnen und Patienten entstehen werden. „Da laufen wir in eine Versorgungslücke und dies sind wichtige Gründe, die Vergütung der ambulanten Operationen, die auch an Kliniken stattfinden, im Sinne einer guten Patientenversorgung an den realen Versorgungsaufwand anzupassen“, betont der DOG-Experte auch am parlamentarischen Abend der DOG im Bundestag in Berlin.