NAION: Präklinische Studie zu Gentherapie
Einem Team der Harvard Medical School und von Life Biosciences ist es gelungen, genetische Marker zu reprogrammieren und so die Sehfunktion von Primaten mit laserinduzierten Augenschäden wiederherzustellen. Forschungsziel war eine Behandlung der nicht arteriitischen anterioren ischämischen Optikusneuropathie (NAION).
Das Team setzte spezielle Substanzen ein, die in die Augen der Primaten injiziert wurden und dort die Netzhautzellen teilweise in einen jugendlicheren Zustand umprogrammierten. Diese innovative Technik zeigte vielversprechende Ergebnisse bei der Wiederherstellung des Sehvermögens. Es sind allerdings weitere Forschungen erforderlich, um diese Ergebnisse zu bestätigen.
Der neue Ansatz basiert auf Forschungen von Shinya Yamanaka. Der japanische Nobelpreisträger zeigte 2006 an Mäusezellen, dass vier Transkriptionsfaktoren ausreichen, um differenzierte Körperzellen wieder zu pluripotenten Stammzellen umzuprogrammieren: Oct4, Sox2, Klf4 und c-Myc. Eine OSKM-Expression kann dem Alterungsprozess entgegenwirken. Allerdings führt die beständige Expression aller vier Transkriptionsfaktoren in Mäusen häufig zur Bildung von Keimzelltumoren oder zum Tod innerhalb von wenigen Tagen, wofür wohl c-Myc verantwortlich ist.
Bei Forschungen an der Harvard Medical School kamen nur drei der Yamanaka-Faktoren zum Einsatz: Oct4, Sox2 und Klf4 (OSK). Das Team verwendete ein Adeno-assoziiertes Virus (AAV) als Vehikel, um OSK in retinale Ganglienzellen von Mäusen einzuschleusen. Die Behandlung hatte mehrere positive Auswirkungen auf das Auge. Erstens förderte sie die Nervenregeneration nach einer Sehnervenverletzung bei Mäusen. Zweitens kehrte sie den Sehkraftverlust bei Tieren um, die an einer Erkrankung litten, die dem Glaukom ähnelt. Und drittens kehrte es den Sehkraftverlust bei alternden Tieren ohne Glaukom um.
Die neue Studie wurde an zehn Primaten mit laserinduzierten Augenschäden durchgeführt, von denen sechs die neue Gentherapie erhielten und vier als Kontrollgruppe dienten. Im Laufe von fünf Wochen zeigten die behandelten Affen eine deutlich verbesserte Reaktion auf Lichtreize und eine bemerkenswerte Verbesserung der Gesundheit der Nervenfasern ihrer Augen, was auf eine wiederhergestellte Sehkraft hindeutet.
Hauptziel dieser Forschungen war die Behandlung der nicht arteriitischen anterioren ischämischen Optikusneuropathie (NAION), einer Sehstörung, deren Pathogenese nicht vollständig geklärt ist. Sie manifestiert sich als akute einseitige Sehverschlechterung ohne Augenbewegungsschmerz mit obligater Papillenschwellung. Diese bildet sich, eine Atrophie hinterlassend, in 1–2 Monaten zurück, das Sehvermögen bessert sich meist nur wenig. Die NAION entsteht wahrscheinlich durch das Zusammenwirken lokaler Besonderheiten der Blutversorgung der Sehnervenpapille und allgemeiner vaskulärer Risikofaktoren: Diabetes, Hypertonie und vor allem Schlafapnoe-Syndrom.
Mit den auf der ARVO vorgestellten Daten konnte die Wiederherstellung der Sehfunktion und ein erhöhtes Überleben der Nervenaxone in einem Primaten-Modell nachweisen, das menschliche NAION-Defizite in retinalen Ganglienzellen nachahmt.
„Die Daten, die wir hier präsentieren, zeigen zum ersten Mal, dass die Behandlung mit OSK zu einer signifikanten Erholung der beeinträchtigten Sehfunktion in einem Primaten-Modell der NAION führen kann“, erklärte Bruce Ksander, Co-Leiter der Studie und außerordentlicher Professor für Augenheilkunde in Harvard. „Dieses Potenzial eröffnet neue Möglichkeiten für die zelluläre Verjüngung, nicht nur bei NAION, sondern auch bei anderen Augenkrankheiten, die als Folge einer altersbedingten Dysfunktion der retinalen Ganglienzellen auftreten.“
Quellen
Ophthalmology Breaking News - Gene Therapy Reverses Vision Loss in Primates
Ophthalmology Times Europe - ARVO 2023: Life Biosciences presents groundbreaking data at ARVO demonstrating Restoration of Visual Function in Nonhuman Primates
Massachusetts Eye and Ear - Harvard Medical School Scientists Reverse Age-Related Vision Loss, Eye Damage from Glaucoma in Mice
Steverding, Dietmar (2021) Wiederherstellung des Sehvermögens bei Mäusen durch Neuprogrammierung des Epigenoms. Naturwissenschaftliche Rundschau, 74. pp. 40-42.