Gen-Editing-Verfahren und Mutationen: Panikmache hilft niemandem
Veröffentlicht am 25.07.2017.
Gen-Editing-Verfahren und Mutationen: Panikmache hilft niemandemEine Studie über viele unbeabsichtigte Mutationen bei der Genom-Editierungmittels der CRISPRCas9-Genschere, über die wir auch in den PRO RETINA Newsam 08.06.2017 [1] berichteten, irritierte Forscher und die interessierteÖffentlichkeit. Jetzt publizierten Kollegen einen Bericht mit möglichenErklärungen, über den die Autorin Inge Wünneberg auf heise.de [2]berichtet:"Auf Widerstand und Kritik in de...
Gen-Editing-Verfahren und Mutationen: Panikmache hilft niemandem
Eine Studie über viele unbeabsichtigte Mutationen bei der Genom-Editierung
mittels der CRISPRCas9-Genschere, über die wir auch in den PRO RETINA News
am 08.06.2017 [1] berichteten, irritierte Forscher und die interessierte
Öffentlichkeit. Jetzt publizierten Kollegen einen Bericht mit möglichen
Erklärungen, über den die Autorin Inge Wünneberg auf heise.de [2]
berichtet:
"Auf Widerstand und Kritik in der internationalen Forschergemeinde von
Spanien bis Australien ist eine Studie gestoßen, die Bedenken an der
Sicherheit des neuen Gen-Editing-Verfahrens CRISPRCas9 weckt. Das Ende Mai im
Journal Nature Methods [3] veröffentlichte Paper von Wissenschaftlern dreier
angesehener amerikanischer Universitäten war vor der Publikation nicht von
Fachkollegen begutachtet worden – ungeachtet seiner brisanten
Schlussfolgerungen und des kleinen Studienumfangs. Untersucht wurden nämlich
nur zwei Mäuse, eine dritte Maus lieferte die Kontrolldaten.
Das Team um Alexander Bassuk und Vinit Mahajan berichtet in dem Paper
allerdings von mehr als 1500 Mutationen an einzelnen Nukleotiden sowie mehr
als 100 größeren Veränderungen an anderen als den beabsichtigten Stellen
im Erbgut von zwei Mäusen. Die beiden Mäuse hatten zuvor eine Behandlung
mit CRISPR erfahren. Damit sollte eine Genmutation eliminiert werden, die
Mäuse erblinden lässt.
Das sechsköpfige Forscherteam der Stanford University, der Columbia
University und der University of Iowa hatte sich bei der Suche nach den von
der Genschere verursachten unbeabsichtigten Mutationen nicht auf die zuvor
von Algorithmen berechneten Regionen des Genoms beschränkt. Vielmehr hatten
die Wissenschaftler das gesamte Erbgut auf Veränderungen untersucht.
Auf die zahlenmäßig erstaunlich hohen Funde an Genveränderungen in dem
Paper aus Nature Methods gingen jetzt sieben Forscher in ihrem Beitrag im
Journal bioRxiv [4] ein. Ihre These dazu lautet, es handle sich bei den
gefundenen Mutationen "höchstwahrscheinlich um Varianten, die bereits zuvor
existiert hatten und nicht um von CRISPR verursachte Mutationen". Daher
äußerten die Autoren des jetzt am 5. Juli online veröffentlichten Beitrags
die dringende Bitte, die Verfasser der in Nature Methods veröffentlichten
Studie möchten ihre "Schlussfolgerungen revidieren oder neu formulieren, um
zu verhindern, dass irreführende und ungesicherte Aussagen in der
Wissenschaftsliteratur Bestand haben".
Denn die sogenannten Off-Target-Mutationen, also unbeabsichtigte Eingriffe
durch das CRISPRCas9-System fern der Zielstelle, gelten als Achillesferse des
noch jungen Verfahrens. Sollte man sie nicht irgendwann zuverlässig in den
Griff bekommen, könnten sie bei Gentherapien für den Menschen zu mehr oder
weniger starken Nebenwirkungen führen. Selbst einige der Erfinder haben vor
dieser Gefahr gewarnt. Es wird allerdings bereits an präziseren Varianten
gearbeitet, um die Technik für eine Anwendung beim Menschen sicher zu
machen.
Wie sensibel das Thema jedoch ist, zeigte die Tatsache, dass die
Veröffentlichung in Nature Methods die Börsenkurse von zwei mit diesen
Genverfahren arbeitenden Biotech-Unternehmen um etwa 15 Prozent sinken ließ.
Beide Firmen planen, auf CRISPR basierende Gentherapien zu entwickeln und
wehrten sich entsprechend gegen die Studie. Abgesehen davon sind bereits fast
20 klinische Studien, die auf der CRISPR-Technik basieren, in der
Vorbereitung oder auch schon gestartet. Es lässt sich an diesem Punkt also
nur Vorsicht einfordern: von den Forschern, dass sie bei allem Enthusiasmus
für die vielversprechenden neuen Möglichkeiten nicht die Sicherheit außer
Acht lassen. Andererseits hilft Panikmache all den betroffenen Patienten
nicht, die auf die Heilung durch künftige Gentherapien hoffen. Vielleicht
ist dieses Verhalten der angemessene Mittelweg: eines der beiden Unternehmen
hat seine eigenen Pläne für eine Studie, bei der mit CRISPR eine
Augenkrankheit geheilt werden soll, vorerst verschoben."
Autorin: Inge Wünnenberg
Quelle: heise.de vom 18.07.2017 [5]
Links aus diesem Beitrag:
[1]
http://www.pro-retina.de/newsletter/2017/genom-editierung-ungewollte-mutationen
[2]
https://www.heise.de/tr/blog/artikel/Panikmache-hilft-niemandem-3771136.html
[3]
https://www.nature.com/nmeth/journal/v14/n6/full/nmeth.4293.html#/supplementary-information
[4] http://www.biorxiv.org/content/early/2017/07/05/159707
[5]
https://www.heise.de/tr/blog/artikel/Panikmache-hilft-niemandem-3771136.html