Steuerbar und biologisch abbaubar: Niederländische Forscherin entwickelt innovative Glaukom-Implantate
Wie könnten MIGS-Implantate verbessert werden? Mit dieser Frage setzt sich Inês Figueiredo Pereira im Rahmen ihrer Promotion auseinander. Dabei entwickelte die niederländische Forscherin ein steuerbares sowie ein biologisch abbaubares Implantat. Für ihre Doktorarbeit erhielt sie ein „cum laude“. Diese Auszeichnung wird in den Niederlanden äußerst selten und nur für besonders hervorragende Forschungsarbeiten vergeben.
Ihr magnetisch gesteuertes Glaukomimplantat hat auch die Fachzeitschrift Microsystems & Nanoengineering von Springer Nature überzeugt. Hier konnten Figueiredo Pereira und ihr Team von der Eindhoven University of Technology (TU/e) ihr Device in einem Artikel vorstellen. Diese Arbeit entstand in Kooperation zwischen dem Fachbereich Microsystems an der TU/e, der Universitätsaugenklinik in Maastricht und InnFocus, einem Tochterunternehmen von Santen in Miami.
Zu Beginn ihrer Arbeit verschaffte sich Figueiredo Pereira einen Überblick über die derzeit verfügbaren MIGS-Implantate. „Zusammen mit meinen Kollegen untersuchten wir die aktuell auf dem Markt erhältlichen Devices zur Behandlung des Glaukoms. Unsere wichtigste Erkenntnis war, dass es bei den derzeitigen Implantaten zu Komplikationen kommen kann, weil sie keine postoperative Kontrolle des Augeninnendrucks ermöglichen“, so die Forscherin. Dies könne zu schwerwiegenden Komplikationen wie anhaltender Hypotonie führen. Von daher bestünde ein Bedarf an Glaukomimplantaten mit einem hydrodynamischen Widerstand, der nach der Implantation angepasst werden kann.
Die magnetische Option
Im Rahmen ihrer Forschungen führte Figueiredo Pereira zunächst Computersimulationen durch, um die praktische Umsetzbarkeit eines Glaukomimplantats mit einem regulierbaren hydrodynamischen Widerstand zu untersuchen. „Die Ergebnisse der Simulationen lieferten wertvolle Erkenntnisse, die die Entwicklung eines magnetisch gesteuerten Glaukomimplantats ermöglichten, das auch nach der Implantation nichtinvasiv an immer wieder unterschiedliche IOD-Bedingungen angepasst werden kann“, so Figueiredo Pereira.
Die Anpassung wird durch die Integration eines magnetischen Mikroventils ermöglicht, das die Abflusskanäle öffnen oder schließen kann und so den hydrodynamischen Widerstand des Implantats je nach Bedarf verändert – und dies allein mithilfe eines simplen externen Magneten. „Mit diesem Ventilsystem kann der Augeninnendruck je nach den Bedürfnissen des Patienten eingestellt werden“, so Figueiredo Pereira.
Biokompatibles Kunststoffmaterial
Wie der PRESERFLO Microshunt besteht das Implantat aus Poly(styrol-Block-Isobutylen-Block-Styrol) (SIBS), einem biokompatiblen, weichen Kunststoffmaterial, das seit 1999 für Medikamente freisetzende Koronar-Stents verwendet wird. SIBS ist weniger inflammatorisch und fibrosierend als Silikon oder Polypropylene. In Kombination mit der geringen Größe könnten so Entzündungen und daraus resultierende postoperative Komplikationen verringern werden.
Bild: Eindhoven University of Technology/Springer Nature/Inês Figueiredo Pereira
Die postoperative Anpassung des Augeninnendrucks wird durch die Verwendung eines magnetischen Plugs in Form eines Mikrostifts im Implantat erreicht. Er öffnet oder verschließt die Abflusskanäle mithilfe eines einfachen externen Magneten. Der Plug besteht aus SIBS, dem Eisenmikropartikel beigemischt wurden.
In vitro und ex vivo durchgeführte Experimente mit dem Implantat zeigten, dass das Mikroventil im geschlossenen Zustand einen ausreichenden hydrodynamischen Widerstand bietet, um eine Hypotonie zu verhindern. Dabei blieb die Ventilfunktion wiederholbar und über die Zeit stabil. Durch die Möglichkeit, zwischen zwei hydrodynamischen Widerständen zu switchen, soll das Auftreten von Hypotonie in der frühen Phase nach der Operation verhindert und später eine maximale Abflusskapazität ermöglicht werden.
Die biologisch abbaubare Option
Neben dem magnetisch gesteuerten Drainagegerät hat Figueiredo Pereira auch ein neues biologisch abbaubares minimalinvasives Glaukom-Implantat entwickelt. Es hat ungefähr die gleiche Größe wie das weltweit kleinste bekannte medizinische Gerät, das in den menschlichen Körper implantiert werden kann – der iStent Inject W von Glaukos. „Der Stent von Glaukos besteht aus Metall und ist von daher dauerhaft. Unser Implantat ist von diesem Device inspiriert, besteht aber auf einem Polymermaterial, Polycarbonat-Bisamid oder PC-BA, wodurch es biologisch abbaubar ist“, bemerkt die Forscherin.
„Wir gehen davon aus, dass sich unser Implantat langsam abbaut und mit der Zeit vom Körper absorbiert wird und dabei ein natürlicher Abflussweg entsteht“, sagt Figueiredo Pereira. „Dieses biologisch abbaubare Glaukom-Implantat bietet einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Wiederherstellung des Abflusses auf eine natürlichere Weise“.
Aufregendes Potenzial
„Ich bin optimistisch, dass diese Implantate das Leben von vielen Millionen Menschen verändern könnten. Natürlich wird es einige Zeit dauern, bis die Geräte richtig bewertet werden können, da weitere Studien erforderlich sind, um zu bestätigen, dass die Implantate keine Narbenbildung verursachen, nachdem das Implantat entfernt wurde oder verschwunden ist“, sagt Figueiredo Pereira. „Ich bin gespannt, wohin diese Forschung führen wird.“
Ihre Gutachter haben die Entwicklungen von Inês Figueiredo Pereira auf jeden Fall überzeugt: Am 5. Juli erhielt sie ihren Doktortitel cum laude. Diese Bezeichnung wird in den Niederlanden nur für besonders hervorragende Forschungsarbeiten verliehen. Diese sehr selten vergebene Auszeichnung entspricht der einer summa cum laude im deutschen System.
Jetzt planen Figueiredo Pereira und ihr Team, das Implantat in einem experimentellen Tiermodell zu testen, um die Biokompatibilität, Kontrollierbarkeit und Wirksamkeit des Device weiter zu untersuchen.
Quellen und weitere Informationen:
Eindhoven University of Technology
Minimally invasive smart glaucoma implants
Springer Nature - Microsystems & Nanoengineering: Magnetically actuated glaucoma drainage device for regulating intraocular pressure after implantation