Erste Augentransplantation in den USA. DOG: Wiederherstellung der Sehfunktion ist derzeit noch unrealistisch
Ein Team aus Chirurginnen und Chirurgen hat in New York nach eigenen Angaben die weltweit erste vollständige Transplantation eines Auges vorgenommen. Die DOG – Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e.V. gratuliert zu dieser chirurgischen Leistung und warnt zugleich vor unrealistischen Erwartungen.
„Es sollten derzeit bei blinden Menschen keine Hoffnungen geweckt werden, durch eine Transplantation die Sehkraft wieder herstellen zu können“, sagt DOG-Mediensprecher Professor Dr. med. Horst Helbig. Zugleich fordert die Fachgesellschaft eine bessere Forschungsförderung in Deutschland, damit diese Vision eines Tages in Erfüllung gehen könne.
Anfang November hat die New Yorker Universitätsklinik NYU Langone mitgeteilt, dass es einem interdisziplinären Ärzteteam gelungen sei, einem Patienten im Zuge einer Teilgesichtstransplantation erstmals auch ein gespendetes Auge eingesetzt zu haben. (Mehr dazu hier.) Die 21-stündige Operation, an der nach Angaben der Klinik mehr als 140 Chirurginnen und Chirurgen sowie weitere medizinische Mitarbeitende beteiligt waren, hatte bereits Anfang Mai stattgefunden. Der 46-jährige Patient Aaron James hatte 2021 bei einem Arbeitsunfall einen 7200 Volt starken Stromschlag erlitten, bei dem er sein linkes Auge, Teile seines Gesichts und Teile seines linken Arms verlor.
Bei der Transplantation wurden die Blutgefäße, die das Auge versorgen, zwischen Gesicht des Spenders und dem Empfänger verbunden und der Sehnerv vernäht; zusätzlich wurden Stammzellen aus dem Knochenmark des Spenders in den Sehnerven injiziert. Die transplantierte Netzhaut ist laut US-Ärzteteam heute gut durchblutet, der eingesetzte Augapfel lebensfähig. Eine Sehfunktion ist beim transplantierten Auge jedoch bisher nicht vorhanden, und auch andere Funktionen wie Lidhebung oder Augenbewegungen waren nicht nachweisbar.
Großartige chirurgische Leistung
„Die beschriebene Transplantation ist eine großartige chirurgische Leistung, die dem Patienten zu einer erheblichen kosmetischen Verbesserung verholfen hat“, sagt Helbig. „Wir gratulieren dazu“, betont der Direktor der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Regensburg. Man wisse, dass die Wiederherstellung der Sehfähigkeit durch eine Augentransplantation die große Hoffnung von blinden Patientinnen und Patienten sei. „Nach derzeitigem Wissensstand ist dies jedoch eine unrealistische Erwartung“, betont der DOG-Experte. Denn der durchtrennte Sehnerv sei nicht mit einem anderen peripheren Nerven zu vergleichen. „Er entspricht eher einer Ausstülpung der weißen Substanz des Gehirns mit etwa einer Million Fasern“, so Helbig. „Eine Regeneration mit funktionierendem Anschluss an das Sehzentrum des Gehirns ist daher nicht zu erwarten und bei dem transplantierten Patienten auch nicht eingetreten.“
Gegenwärtig ist die Verpflanzung der Hornhaut des Auges zur Wiederherstellung des Sehvermögens möglich. „Sie gibt in Deutschland jedes Jahr vielen Tausend Menschen die Sehkraft zurück“, erklärt Professor Dr. med. Claus Cursiefen, Generalsekretär der DOG. Auch wenn derzeit nicht zu erwarten sei, dass Aaron James jemals auf dem transplantierten Auge werde sehen können, seien die bisherigen Erfolge doch ein Ansporn, Forschungsarbeiten im Bereich der okulären Transplantationsimmunologie, der Neuroregeneration und der Mikrochirurgie fortzusetzen.
Forschungsförderung in Deutschland zu steigern
Die DOG fordert daher, die Forschungsförderung in Deutschland zu steigern, um international nicht den Anschluss zu verlieren. „Die deutsche Augenheilkunde hat in der Vergangenheit viele wissenschaftliche Durchbrüche zum Wohle der Patienten erzielen können“, so Cursiefen. Der DOG-Generalsekretär fügt hinzu: „Ein Deutsches Zentrum für Gesundheitsforschung in der Augenheilkunde würde helfen, eines Tages auch die Vision einer Transplantation des ganzen Auges zur Wiedererlangung der Sehfähigkeit in Erfüllung gehen zu lassen.“