Entbudgetierung: Gleiche Bezahlung für alle?
Ein Großteil der ärztlichen Leistungen bleibt unbezahlt. Starre Gesetze und Vorgaben aus dem vergangenen Jahrhundert führen zu einem Ungleichgewicht in der Praxis. Ursachen dafür liegen in der Vergangenheit. Ein Statement des BVA-Vorsitzenden Daniel Pleger.
Der Katalog der ärztlichen abrechenbaren Leistungen ist im EBM, im einheitlichen Bewertungsmaßstab hinterlegt. Dieser gilt für die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Die Bezahlung der Ärzteschaft verläuft also nicht in festen Beträgen, sondern in zuvor festgesetzten Punkten. Der Preis pro Punkt (der s.g. Orientierungspunktwert OPW) wird jährlich vom Bund der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KVB) verhandelt. Aktuell entspricht ein Punkt etwa 11,93 Cent.
Bezüglich der Abrechnung gibt es zudem weitere Vorschriften zu Abrechnungsbegrenzungen, wie beispielsweise die Grundpauschale, die einmal im Quartal abgerechnet werden kann, unabhängig davon, wie oft die Patientin oder der Patient die Praxis im Quartal aufsucht. Zudem ist die Obergrenze dessen, was aus Leistungen honoriert wird, gedeckelt. Das bedeutet: Nicht alle Leistungen im EBM werden zum OPW vergütet.
Leistung wird in Punkten bemessen
Das Punktzahlvolumen (PZV), mit anderen Worten das „Budget“, wird den Ärztinnen und Ärzten im Vorfeld zugewiesen und bestimmt, welche Summe an Punktwerten zum OPW vollständig abgerechnet werden dürfen. Ist das Volumen im Quartal erreicht, erfolgt die Vergütung zu abgestaffelten Beträgen (sog. Restpunktewerten.) In Schleswig-Holstein liegt dieser bei 0,25 Eurocent. Ein sehr geringer Betrag, was zu Folge hat, dass etwaige Mehrleistungen für Praxen wirtschaftlich untragbar werden. Denn die Kosten der Praxis laufen im Betreib weiter, bei steigenden Ausgaben und verminderter Vergütung.
In der Folge bleibt so ein erheblicher Anteil der ärztlichen Leistung unbezahlt. Besonders unverständlich: Die Budgetierung der ärztlichen Leistungen ist über 30 Jahre alt – sie stammen also aus gänzlich anderen Zeiten. Statt der damals befürchteten Ärzteschwämme sehen wir uns nun einem wachsenden Fachkräftemangel ausgesetzt. Der demographische Wandel hin zu einer alternden Gesellschaft und dem Rentenantritt zahlreicher Ärztinnen und Ärzte führen zu einer Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Den verbleibenden Ärztinnen und Ärzten wird durch eine Überlast an bürokratischen Vorgängen der Arbeitsalltag massiv erschwert.
Wachsende Unzufriedenheit der Ärzteschaft
Einer Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland zur Befragung der Lage in Praxen zeigt die zunehmende Unzufriedenheit der Ärzteschaft. Obwohl ihre Arbeit von 84 % der Befragten als vollständig nützlich und sinnvoll angesehen wird, fühlen sich nur 8,5 % der Fachärzte und 9,7 % der Hausärztinnen und Ärzte bezüglich Ihrer Leistungen angemessen honoriert.
Den gesellschaftlichen Beitrag honorieren – Vergütung aus diesem Jahrhundert nötig
Wie kann diese scheinbar festgefahrene Situation gelöst werden? Eine pauschale Lösung für alle vielschichtigen Probleme in dieser differenzierten Ausgangslage ist kaum möglich. Doch festzuhalten ist: Haus- und Fachärztinnen und -Ärzte leisten zusammen mit ihren Teams einen grundlegenden, wertvollen Beitrag zu unserer Gesellschaft. Um dem bereits jetzt spürbaren Ärztemangel noch abzuwenden und dazu beizutragen, weiterhin die Kolleginnen und Kollegen in Praxen und Kliniken zu halten, braucht es Anreize für mehr Behandlungszeit. Die Budgetierung ist es jedenfalls nicht. Es wäre das richtige politische Signal, nicht nur die Kinder- und Hausärzte, sondern die Leistungen für alle Fachgebiete zu entbudgetieren.
Daniel Pleger
1. Vorsitzender Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V.
Quellen:
Zi: #PraxenKollaps: Repräsentative Befragungsergebnisse zur Lage in Praxen
KBV: Knapp vier Prozent mehr für die ambulante Versorgung in 2024 – Finanzierungsverhandlungen beendet
abgerufen am 20.02. 2024