Geographische Atrophie: Aktuelle Studien- und Versorgungslage

Anlässlich des Kongresses der Augenärztlichen Akademie Deutschland 2024 fasst Prof. Dr. Frank G. Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn, die aktuelle Studien- und Versorgungslage zusammen.

Nicht-exsudative Makuladegeneration mit ausgedehnter geografischer Atrophie. Bild: EyeRounds.org, The University of Iowa
Nicht-exsudative Makuladegeneration mit ausgedehnter geografischer Atrophie. Bild: EyeRounds.org, The University of Iowa

Die sogenannte „geographische Atrophie“ stellt das atrophische Spätstadium der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) dar. Dabei kommt es zum Untergang der äußeren Netzhautschichten einschließlich der Photorezeptoren, des retinalen Pigmentepithels und der Choriokapillarisschicht der Aderhaut. Korrespondierend zu den betroffenen Netzhautarealen besteht ein vollständiger Funktionsverlust. Typischerweise treten diese Areale zunächst perifoveal auf, um dann mit der Zeit auch die Fovea mit erheblichem Sehverlust zu involvieren. 

Der Krankheitsprozess ist im natürlichen Verlauf immer progredient: Ähnlich dem Dominoeffekt vergrößern sich die betroffenen Netzhautareale nach und nach. Die Konsequenzen für die Betroffenen sind weitreichend: Die Fähigkeit zur Gesichtserkennung geht verloren, ebenso die Lesefähigkeit. Gleichzeitig ist das Sturzrisiko und das Risiko für Depressionen erhöht. Auch wird das Führen eines PKWs unmöglich. Insgesamt ist eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität mit der Erkrankung verbunden.

Die Anzahl der Betroffenen mit geographischer Atrophie wird parallel zu den demographischen Entwicklungen in Deutschland in den nächsten Jahren weiter erheblich zunehmen.

Therapieoption: Verlangsamung des Fortschreitens der Krankheit

Während die neovaskuläre („feuchte“) Manifestationsform der AMD seit über 15 Jahren erfolgreich mit repetitiv intravitreal applizierten VEGF-Inhibitoren behandelt werden kann, gab es bis vor kurzem keinerlei Therapiemöglichkeiten für die geographische Atrophie. Zahlreiche Therapieansätze und Studien sind bisher gescheitert. 

Basierend auf positiven Phase III-Ergebnissen aus randomisierten placebokontrollierten Studien wurden zwischenzeitlich die beiden Komplementinhibitoren Pegcetacoplan und Avacincaptad Pegol in den USA von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Lancet publiziert.

Der primäre Endpunkt bei den Zulassungsstudien war die Verlangsamung der Wachstumsgeschwindigkeit der geographischen Atrophie mit der Zeit. Hier wurden signifikante Therapieeffekte nachgewiesen. 

Bezüglich der sekundären, funktionellen Punkte wurde keine Überlegenheit der Behandlung gegenüber der Kontrollgruppe mit der Komplementinhibitionstherapie gefunden. Allerdings erscheint der Endpunkt der bestkorrigierten zentralen Sehschärfe bei dieser Manifestationsform der AMD eher ungeeignet im Gegensatz zu den Anti-VEGF-Studien bei neovaskulärer AMD. In posthoc-Analysen wurden Therapieeffekte für Pegcetacoplan auch bezüglich der Netzhautfunktion gezeigt, so beispielsweise durch Mikroperimetrie Untersuchungen im Randbereich der geographischen Atrophie, also in den Netzhautarealen, die bei Progression der Erkrankung als nächstes betroffen werden.

Zum Zeitpunkt der Konzipierung der Phase III-Studie standen noch keine adäquaten funktionellen Messverfahren zur Verfügung. Zwar wurden Untersuchungen mit der funduskontrollierten Perimetrie (Mikroperimetrie) durchgeführt, doch erst mit weiteren Entwicklungen konnte durch Initiierung der Studien Messverfahren entwickelt werden, die eine deutlich höhere Aussicht besitzen, auch Funktionsvorteile der Therapie zu erfassen

Hoffnung für Betroffene: Neu-Evaluierung der EMA

In der Zwischenzeit hat sich die europäische Arzneimittelagentur (EMA) zunächst gegen eine Zulassung von Pegcetacoplan ausgesprochen. Aktuell soll nochmals eine Neubewertung stattfinden. 

Eine Nichtzulassung würde bedeuten, dass Patienten mit geographischer Atrophie im Rahmen der AMD – im Gegensatz zu Patienten in den USA – keinen Zugang zu einer Therapie hätten. Alternativen stehen nicht zur Verfügung und werden auch bis auf Weiteres nicht verfügbar sein. Dabei könnten vor allen Dingen Patienten profitieren, bei denen die foveale Sehschärfe noch nicht betroffen ist. 

Insofern ist eine Re-Evaluation seitens der EMA zu begrüßen in der Hoffnung einer positiven Bewertung. Hierbei käme auch eine konditionale Zulassung in Frage mit der Einforderung weiterer prospektiver Studien bezüglich der funktionellen Parameter. 

Die aktuelle Versorgungslage für Patienten mit geographischer Atrophie beinhaltet lediglich rehabilitative Maßnahmen mit vergrößernden Sehhilfen. Diese sollten immer optimal angepasst und verordnet werden, auch da hierdurch häufig u.a. die Lesefähigkeit verbessert werden kann. 

Prof. Dr. med. Frank G. Holz
Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn
DOG-Präsidiumsmitglied
Makulakommissionsmitglied BVA und DOG

Quellen:

Pegcetacoplan for the treatment of geographic atrophy secondary to age-related macular degeneration (OAKS and DERBY): two multicentre, randomised, double-masked, sham-controlled, phase 3 trials.

Heier JS, Lad EM, Holz FG, Rosenfeld PJ, Guymer RH, Boyer D, Grossi F, Baumal CR, Korobelnik JF, Slakter JS, Waheed NK, Metlapally R, Pearce I, Steinle N, Francone AA, Hu A, Lally DR, Deschatelets P, Francois C, Bliss C, Staurenghi G, Monés J, Singh RP, Ribeiro R, Wykoff CC; OAKS and DERBY study investigators. Lancet. 2023 Oct 21;402(10411):1434-1448. doi: 10.1016/S0140-6736(23)01520-9.PMID: 37865470 

Efficacy and safety of avacincaptad pegol in patients with geographic atrophy (GATHER2): 12-month results from a randomised, double-masked, phase 3 trial.

Khanani AM, Patel SS, Staurenghi G, Tadayoni R, Danzig CJ, Eichenbaum DA, Hsu J, Wykoff CC, Heier JS, Lally DR, Monés J, Nielsen JS, Sheth VS, Kaiser PK, Clark J, Zhu L, Patel H, Tang J, Desai D, Jaffe GJ; GATHER2 trial investigators. Lancet. 2023 Oct 21;402(10411):1449-1458. doi: 10.1016/S0140-6736(23)01583-0. Epub 2023 Sep 8.PMID: 37696275