Quo vadis Hornhauttransplantation?
Ein Interview mit Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchsluger, Direktor der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde in der Universitätsmedizin Rostock, und Dr. Marcus Walckling, Oberarzt in der UMR und stellvertretende Verantwortliche Person (stVP) in der Hornhautbank Rostock, über Entwicklungen in der Augenhornhautchirurgie.
Der Bedarf an Augenhornhauttransplantaten nimmt trotz steigender Spendezahlen immer weiter zu: Im letzten Jahr bearbeitete die Vermittlungsstelle der DGFG allein mehr als 6.800 Anträge für eine Augenhornhaut – ein neuer Rekord. 5.003 Hornhauttransplantate konnten am Ende vermittelt werden.
Was ist die Ursache für diese Entwicklung?
Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchsluger: Die steigenden Transplantationszahlen lassen sich damit erklären, dass durch die DMEK-Transplantation (Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty) heute schon bei deutlich besseren Sehkraftwerten transplantiert wird. Bei dieser Technik handelt es sich um einen sicheren und schonenden Eingriff, da nur die innerste Schicht nahtlos transplantiert wird, was zu schnelleren Verbesserungen der Sehfähigkeit führt. Früher, als es nur möglich war, die Hornhaut komplett zu transplantieren und im Patientenauge zu vernähen, hat man oftmals erst ab unter 50 Prozent verbleibender Sehkraft operiert. Die DMEK wird heute oft schon bei anfänglichen, weniger beeinträchtigenden Symptomen und einer Sehfähigkeit oftmals deutlich höher als 50 Prozent durchgeführt.
Dr. Marcus Walckling: Das Gute an dieser Technik ist, dass nur ein kleiner Teil der Hornhaut ersetzt wird. Sie kann sowohl bei ersten Veränderungen der Hornhaut als auch bei fortgeschrittenen Befunden mit Wasseransammlung, einem sogenannten Hornhautödem, und beginnender Trübung erfolgreich durchgeführt werden. Die Sehfähigkeit verbessert sich schnell. In der Regel bleibt es bei dieser Verbesserung und das Krankheitsbild kehrt nach der Transplantation nicht zurück. Sollte das Transplantat nach vielen Jahren doch versagen, ist die OP mit guter Prognose wiederholbar, was ein weiterer großer Vorteil dieser Methode ist.
Fuchsluger: Auch wenn die DMEK-Operation sehr gute Erfolge erzielt und in Deutschland hauptsächlich durchgeführt wird, bleibt sie kein einfacher Eingriff, der daher mit einem kurzen stationären Aufenthalt verbunden ist. Deshalb bleibt es weiter wichtig, sich auf Zentren zu konzentrieren, die auf konstant hohem Niveau transplantieren. Wenn sich mehr Kliniken dem Netzwerk der DGFG anschließen und Spenderinnen und Spender melden würden, könnten wir mehr Menschen mit einer Augenhornhaut versorgen.
Gewebebank: Augenhornhauttransplantat in Nährmedium. Bild: DGFG
Was ist der häufigste Anlass für eine Hornhauttransplantation?
Fuchsluger: In Europa und Nordamerika sind das oft Fuchs‘sche Endothelzellendystrophien. Das ist eine Erkrankung, bei der die Zellen an der Hornhautinnenseite, die sogenannten Endothelzellen, geschädigt sind. Diese Zellen steuern die Kammerwassereindringung in das Hornhaut-Hauptgewebe (das „Stroma“) im Auge. Eine abnehmende Zahl an Endothelzellen kann nicht mehr genug Kammerwasser aus der Hornhaut pumpen, wodurch die Hornhaut wegen zunehmender Quellung eintrübt und es zu Sichteinschränkungen kommt. Es handelt sich dabei um eine Erkrankung, die häufig erst im höheren Alter auftritt. Auch dadurch haben wir in Rostock einen hohen Bedarf an Augenhornhauttransplantaten. Denn viele Menschen ziehen im Alter an die Ostsee, weshalb wir hier in Mecklenburg-Vorpommern eine besonders hohe Altersstruktur der Bewohner haben.
Walckling: Die meisten unserer Patientinnen und Patienten für eine Hornhauttransplantation sind älter als 60 Jahre, aber auch jünger: Unsere bisher jüngste Patientin war 15 Jahre alt. Sie hatte eine sehr seltene Erkrankung, die den Eingriff notwendig gemacht hat. Generell fallen die meisten Erkrankungen der Endothelzellen unter die Fuchs’sche Endothelzellendystrophie. Die Krankheitsbilder in der Hornhaut selbst unterscheiden sich bei dieser Diagnose jedoch häufig. Da ist vieles noch nicht in Gänze erforscht.
Was zeichnet eine gute Augenhornhaut aus?
Walckling: Es ist derzeit gängige Praxis, die Qualität eines Augenhornhauttransplantats vor allem an der Endothelzelldichte (EZD) festzumachen. Das ist die Anzahl an Endothelzellen pro Quadratmillimeter. Ist die EZD hoch, wird allgemein von einer guten Hornhaut gesprochen. Liegt sie unter 2.000 Zellen pro mm2, wird sie meist gar nicht transplantiert. Dabei wundern wir uns manchmal, was für schöne Ergebnisse wir am Ende mit einer etwas niedrigeren Zellzahl bei den Patientinnen und Patienten erzielen können.
Fuchsluger: Es kommt schließlich auch auf die Pumpleistung jeder einzelnen Endothelzelle an und nicht nur auf ihre Anzahl. Vor dem Hintergrund eines Gewebemangels müssen wir zusehen, dass mehr von den gespendeten Hornhäuten auch transplantiert werden.
Walckling: Auch mit Augenhornhäuten mit weniger Zellen können wir bei Patientinnen und Patienten sehr gute Ergebnisse erzielen.
Wie schätzen Sie die Entwicklung hin zu einer Transplantation einzelner Zellen ein?
Fuchsluger: Ich sehe die Transplantation einzelner Zellen noch etwas skeptisch, da es schwierig ist, diese Methode zur Serienreife zu bringen. Das Besondere bei den Endothelzellen ist, dass sie sich nicht teilen und deshalb schwer zu vermehren sind. Nach wie vor ist die DMEK die beste und sicherste Methode, die es derzeit gibt, um Augenhornhauterkrankungen zu behandeln. Wir haben regelmäßig Patientinnen und Patienten, die schon bei Entlassung drei oder vier Tage nach der OP eine deutliche Verbesserung der Sehkraft haben. Es ist also schwer, etwas zu entwickeln, das besser funktioniert.
Wir danken der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) für die Genehmigung, dieses Interview zu publizieren.
Weitere Informationen:
Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde in der Universitätsmedizin Rostock