„Mix and match“ bei Katarakt und Presbyopie

Scharfes Sehen ohne Brille in alle Entfernungen: Zu Laser- bzw. LASIK-Korrektur und Multifokallinsen gibt es jetzt mit der sogenannten Mix-und-match-Technik eine vielversprechende Alternative.

Augenuntersuchung mit einer Pentacam. © DOC/Dr. Scharrer
Augenuntersuchung mit einer Pentacam. © DOC/Dr. Scharrer

Bisher kannte die moderne Augenchirurgie hauptsächlich zwei Möglichkeiten, um ein scharfes Sehen ohne Brille in alle Entfernungen zu ermöglichen. Bei jüngeren Menschen unter 40 Jahren die Laser- bzw. LASIK-Korrektur der Hornhaut. Sie kann Kurz- und Weitsichtigkeit beseitigen. Oder das Einsetzen von Multifokallinsen, meist in fortgeschrittenem Alter bei der Operation gegen den Grauen Star. Immer mehr Betroffene entscheiden sich aber auch schon früher für einen Linsenaustausch, um auf die ungeliebte Lesebrille verzichten zu können, die meist in einem Alter zwischen 45 und 50 Jahren erforderlich wird.

Doch beide Verfahren haben Nachteile. LASIK-Patienten brauchen später trotzdem eine Lesebrille, weil der Laser-Eingriff die Altersweitsichtigkeit nicht verhindern kann. Patienten mit Multifokallinsen wiederum klagen häufig über störende Nebeneffekte wie Lichtkreise, erhöhte Blendempfindlichkeit und nachlassende Kontraste. „Es war bisher immer ein Kompromiss“, erklärt Dr. Scharrer, Augenarzt und Präsident des Internationalen Kongresses der Deutschen Augenchirurgen (DOC). „Man erkauft sich das scharfe Sehen in alle Bereiche mit optischen Nachteilen, die man in Kauf nehmen muss.“

Doch jetzt gibt es sowohl für Patienten mit grauem Star als auch für alle, die lediglich ohne Lesebrille auskommen möchten, eine dritte Möglichkeit. Zwei Mix-and-match-Verfahren finden zunehmend eine größere Verbreitung. 

Kombination erzielt brillantes Sehen in der Ferne

Patienten, die auf ein erstklassiges, störungsfreies Sehen in der Ferne großen Wert legen, erhalten dazu im Führungsauge eine hochwertige Einstärkenlinse für die Ferne (asphärische Monofokallinse). Das Partnerauge erhält dagegen eine EDOF-Linse, die jedoch etwas stärker (zwischen einer viertel und einer halben Dioptrie) auf die Nähe ausgerichtet ist. Das ermöglicht diesem Auge ein deutlich besseres Sehen im Intermediär- und Nahbereich als mit einer „normalen“ EDOF-Linse. Diese Linsen-Kombination erzielt ein brillantes Sehen in der Ferne, ein sehr gutes Stereosehen und ein sehr gutes Sehen in mittleren Entfernungen (PC, Tablet, Smartphone). Lediglich für kleine Dinge in unmittelbarer Nähe (30-40 cm) ist häufig noch eine schwache Lesebrille erforderlich. 

Weniger störende Effekte

Für den Patienten, der eine komplette Brillenunabhängigkeit mit sehr viel weniger störenden Effekten als bisher möchte, ist die Kombination einer EDOF-Linse für das Führungsauge und einer Trifokallinse für das Partnerauge eine gute Lösung. Bei dieser Methode setzt der Augenarzt am Führungsauge, also dem dominanten Auge, eine normale EDOF-Linse ein. Die Abkürzung EDOF steht für „Extended Depth of Focus“. Das bedeutet, dass diese Linsenart eine erweiterte, also verbesserte und höhere Tiefenschärfe bietet als normale Standardlinsen. Damit sehen die Patienten scharf in der Ferne und in mittleren Abständen (Handy, PC, Armaturenbrett). Zum Lesen brauchen etwa 40 Prozent von ihnen trotzdem noch eine leichte Lesebrille, vor allem bei kleinen Schriften und wenig Licht. 

Dafür bieten EDOF-Linsen als Vorteile sowohl ein besseres Kontrastsehen auch bei schlechten Lichtverhältnissen als auch weniger unerwünschte Lichteffekte. In das andere, nichtdominante Auge wird dagegen eine Multifokallinse implantiert. Sie ermöglicht ein scharfes Sehen in alle Distanzen, vor allem auch in der Nähe und im mittleren Bereich. Allerdings verschwimmen hier bei Dämmerung die Kontraste und um Lichtquellen wie Straßenlaternen oder Autoscheinwerfer bilden sich Lichtkränze und störende Lichthöfe. Außerdem fühlen sich Träger von Multifokallinsen nachts stärker geblendet.

Dr. Scharrer: „Durch die Kombination profitieren die Patienten von den Vorteilen beider Linsentypen. Die EDOF-Linse sorgt für ein scharfes Sehen in der Ferne und auf mittleren Distanzen, während die Multifokallinse zusätzlich auch die Nahsicht gut abdeckt. Gleichzeitig werden aber die störenden optischen Phänomene wie Halos, Blendungen oder Kontrastschwächen deutlich reduziert, die dann auftreten, wenn man in jedes Auge eine Multifokallinse implantiert.“

Neuroplastizität des Gehirns

Das ist möglich, weil das Gehirn durch seine Neuroplastizität in der Lage ist, unterschiedliche visuelle Informationen zu verarbeiten und sinnvoll zusammenzufügen. Das dominante Auge mit der EDOF-Linse liefert den größeren Anteil an Informationen an das Gehirn und beherrscht somit unsere Wahrnehmung, weil es das führende Auge ist. 

Deshalb nimmt das Gehirn bei der Mix-and-match-Methode zunächst die positiven Eigenschaften der EDOF-Linse wahr. Also eine nahezu perfekte Sicht in der Ferne und im Mittelbereich, gleichzeitig aber keine störenden Nebeneffekte. Die Seheindrücke der Multifokallinse registriert das Gehirn wegen der Positionierung im nichtdominanten Auge eher als zweitrangig. Damit findet ein scharfes Sehen auch in der Nähe statt, allerdings blendet das Gehirn jetzt die negativen Eigenschaften der Multifokallinsen aus.

Das Gehirn überlisten

Dr. Scharrer: „Die neue Technik überlistet sozusagen das Gehirn. Dessen neuroplastische Eigenschaften sind jedoch ganz normal. Weil unsere Augen im Schnitt etwa sechs Zentimeter auseinander liegen, muss das Gehirn schon immer zwei leicht versetzte Bilder übereinanderlegen und zu einem einheitlichen scharfen Bild verarbeiten.“

Um herauszufinden, welche Patienten überhaupt für eine Mix-und-match-Operation in Frage kommen und welche Linsen in welcher Stärke geeignet sein könnten, sind mehrere eingehende Messungen und Untersuchungen sowie eine besonders ausführliche Beratung erforderlich. 

„Diese Untersuchungen und Aufklärungsgespräche können durchaus einen längeren Zeitraum von 30 bis 40 Minuten beanspruchen“, so Dr. Scharrer. „Manchmal auch noch länger. In immer mehr Zentren übernehmen deshalb speziell dafür ausgebildete Fachkräfte einen Großteil dieser Aufgaben. Diese sogenannten Refraktivmanager sind in der Regel erfahrene augenärztliche Fachkräfte oder Augenoptiker mit Meisterprüfung, die sich besonders gut mit Augenuntersuchungen, Linsen und allen modernen Behandlungsmöglichkeiten auskennen.“

Umfangreiche Beratung wichtig

Bei dieser umfangreichen Beratung lässt der Refraktivmanager die Patienten ausführlich zu Wort kommen, um zu erfahren, welche individuellen Erwartungen und Wünsche an die neuen Linsen gestellt werden. Außerdem berücksichtigt er berufliche Anforderungen, Freizeitbeschäftigungen und Hobbys. Aufgrund dieser Informationen und Befunde der Voruntersuchungen empfehlen Augenarzt und Refraktivmanager dem Patienten eine oder mehrere mögliche Lösungen. Die Entscheidung trifft der Patient letztendlich immer selbst.

Quelle: DOC