Der gefährlichste Beruf der Welt? Interview mit dem Sicherheitsexperten der Christoffel-Blindenmission zur Lage im Südsudan
Krisen, wohin man sieht, und zugleich eine Bundesregierung, die künftig rund 1,4 Milliarden Euro weniger für Humanitäre Hilfe ausgeben will. Diese Kürzungen kritisiert die Christoffel-Blindenmission (CBM) zum Welttag der Humanitären Hilfe am 19. August. Zugleich erinnert sie an die Menschen, die weltweit ihr Leben riskieren, um in Krisenregionen wie dem Südsudan den Menschen beizustehen. Ein Interview mit dem CBM-Sicherheitsexperten Tom van Herwijnen.
Über Tom van Herwijnen Tom van Herwijnen war über Jahre für verschiedene Hilfsorganisationen in Afghanistan und anderen Konfliktgebieten im Einsatz. |
Herr van Herwijnen, Sie waren kürzlich im Südsudan, was haben Sie erlebt?
Tom van Herwijnen: Ich habe ein Land erlebt, in dem nichts und niemand sicher ist. Menschen, die eigentlich für Recht und Ordnung sorgen sollten, zum Beispiel die Polizei und das Militär, wurden seit Monaten nicht bezahlt. Mit anderen Worten: Menschen, die eine Waffe mit sich führen, haben nichts zu essen. Das ist brandgefährlich. Niemand ist sicher in diesem Land – auch nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CBM oder anderer Hilfsorganisationen.
Wie genau hilft die CBM vor Ort?
Wir unterstützen die Augenabteilungen der Krankenhäuser und behandeln die Menschen in den Flüchtlingslagern. Seit dem Bürgerkrieg und seiner Unabhängigkeit ist das Land instabil und bankrott. Zusätzlich haben massive Überschwemmungen viele Menschen in Flüchtlingslager vertrieben. Durch die katastrophalen Zustände – durch Fliegen, den Dreck und verunreinigtes Wasser – haben sich Augenkrankheiten ausgebreitet. CBM-Mitarbeiter wie Samuel Lubari untersuchen die Augen der Menschen und behandeln sie bei Bedarf; etwa auf die Tropenkrankheit Trachom. Würden sie das nicht tun, würden sich Sehbehinderungen und Blindheit ausbreiten. Im Südsudan zu überleben ist so schon schwer genug. Stellen Sie sich vor, sie sind dann auch noch blind! Es geht um Leben und Tod: Wenn wir den Menschen nicht helfen, sterben sie – das ist die Realität.
CBM-Mitarbeiter Samuel Lubari untersucht die Augen der Menschen und behandelt sie sofort. Damit rettet er Leben, denn Blindheit kann im Südsudan lebensgefährlich sein.
Aber in den Krankenhäusern sind die Menschen sicher, oder?
Ich habe das Rubkona-Krankenhaus an der Grenze zum Sudan besucht und in der Ambulanz waren die Wände von Kugeln durchlöchert. Es gab also sogar auf die Ambulanz schon einen Angriff. Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen damals gestorben sind.
Ihre Aufgabe bei der CBM ist es, für Sicherheit zu sorgen.
Ja, meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die für die CBM in die Einsatzgebiete gehen, sicher wieder nach Hause kommen. Dazu gehört auch Krisenmanagement: Wenn es einen Überfall auf einen CBM-Mitarbeiter in einem Projektland geben sollte oder wenn jemand entführt wird, werde ich angerufen – auch nachts. Ich glaube, vielen ist gar nicht klar, dass die Menschen, die für Hilfsorganisationen im Einsatz sind, ihr Leben riskieren. Weltweit sterben jährlich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen bei Hilfseinsätzen.
Wie sorgen Sie für die Sicherheit der Angestellten?
Alle CBM-Gebäude in Risiko-Gebieten verfügen etwa über einen Bunker. Darin befinden sich auch Lebensmittel, Wasser und vieles mehr, um für einige Zeit darin zu leben. Kommt es zu Unruhen, können sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort in Sicherheit bringen. Auch veranstalten wir regelmäßig Trainings: Dabei lernen sie unter anderem, wie sie sich an Grenzübergängen und im Gespräch mit dem Militär verhalten. Auch üben sie, wie sie im Entführungsfall reagieren oder was sie tun können, wenn sie unter Beschuss geraten.
Krankenwagen mit Einschusslöchern im Südsudan. Bild: CBM
Was wünschen Sie sich von der Bundesregierung?
Wir wünschen uns eine Wertschätzung unserer Arbeit und die drückt sich auch in finanzieller Unterstützung aus. In Krisengebieten zu helfen und sie zu stabilisieren, bedeutet in Zeiten der Globalisierung die Stärkung der weltweiten Sicherheitslage. In diesen Zeiten den Etat für Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen ist das falsche Signal.
Über die CBM
Die Christoffel-Blindenmission (CBM) zählt zu den international führenden Organisationen für inklusive Entwicklungszusammenarbeit. Sie unterstützt Menschen mit Behinderungen in den ärmsten Ländern der Welt – und das seit mehr als 115 Jahren. Gemeinsam mit ihren lokalen Partnern sorgt sie dafür, dass sich das Leben von Menschen mit Behinderungen grundlegend und dauerhaft verbessert. Sie leistet medizinische Hilfe und setzt sich für gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe ein. Ziel ist eine inklusive Welt, in der Menschen mit und ohne Behinderungen ihre Fähigkeiten einbringen können und niemand zurückgelassen wird. Im vergangenen Jahr förderte die CBM 379 Projekte in 40 Ländern. Mehr unter www.cbm.de.