Zi veröffentlicht Praxis-Panel (ZiPP) zur wirtschaftlichen Lage der Arzt- und Psychotherapiepraxen 2019-2022
Reale Jahresüberschüsse der Praxen 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 4,8 Prozent zurückgegangen // Stark steigende Personalkosten und inflationsbedingte Preissprünge drücken Praxiserträge // ZiPP-Klimaindex erreicht Anfang 2024 schlechtesten Wert seit 10 Jahren //„Neue Bundesregierung bei Aufwertung der ambulanten Versorgung deutlich gefordert“
Weiterhin hoher Kostenanstieg in den Praxen
Unter Berücksichtigung der Inflationsrate sind die realen Jahresüberschüsse der rund 80.000 ärztlichen und 29.000 psychotherapeutischen Praxen im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 4,8 Prozent gesunken. Die Gesamteinnahmen der Praxen stiegen 2022 im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 3,4 Prozent. 2021 hatte dieser Wert vor allem aufgrund der COVID-19-Impfkampagne noch bei 9 Prozent gelegen. Auffällig ist der weiterhin hohe Kostenanstieg in den Praxen: Nach dem sprunghaften Anstieg der Kosten um 7,5 Prozent im Jahr 2021 lag der Anstieg im Jahr 2022 noch bei 5,2 Prozent. Insgesamt haben die Praxiseinnahmen von 2019 bis 2022 um 16,4 Prozent zugenommen. Im gleichen Zeitraum sind die Gesamtaufwendungen jedoch um 17,2 Prozent gestiegen. Damit bleibt der Kostenanstieg in den Praxen langfristig weiterhin stärker als die Einnahmenentwicklung. Der Effekt wird nur dadurch gemildert, dass die Einnahmen durch pandemiebedingte Sondereffekte im Jahr 2021 einmalig einen hohen Zuwachs erreichten.
Kostenfaktor Personalausgaben
Größter Kostenfaktor für die Praxen sind erneut die Ausgaben für Personal. Diese umfassten 2022 nahezu 58 Prozent der Gesamtaufwendungen. Nachdem sich der Anstieg der Personalaufwendungen 2020 noch auf 4,5 Prozent belief, erhöhten sich diese deutlich um 9,5 Prozent im Jahr 2021 und 9,1 Prozent im Jahr 2022. Von 2019 bis 2022 haben die Personalaufwendungen damit um 24,7 Prozent zugenommen. Die größten Kostensprünge gab es zudem bei Material und Labor (+14,5 Prozent) sowie bei der Miete für Praxisräume (+9,8 Prozent). Die Kostenentwicklung der Praxen lag damit systematisch über der allgemeinen Teuerungsrate. Bei den Abschreibungen ist im Jahr 2022 ein deutlicher Rückgang um 12,5 Prozent zu beobachten. Zu erklären ist das unter anderem durch eine rückläufige Investitionstätigkeit der Praxen in den Jahren 2020 und 2021. Diese führt im Vergleich zum Vorjahr zeitversetzt zu verringerten Abschreibungen für 2022. Die Einnahmen aus kassenärztlicher Tätigkeit stiegen über den Beobachtungszeitraum um insgesamt 18,4 bzw. um jährlich 5,8 Prozent. Hingegen lag die Zuwachsrate bei den Privateinnahmen mit 5,2 Prozent zwischen 2019 und 2022 bzw. 1,7 Prozent jährlich deutlich unter dem Durchschnitt.
Das sind die zentralen Ergebnisse des aktuellen Zi-Praxis-Panels (ZiPP), mit dem das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) die wirtschaftliche Lage der Arztpraxen zwischen 2019 und 2022 analysiert hat.
„Aktuell reales Minus“
„Die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung gründet auf dem Fundament einer soliden wirtschaftlichen Basis der Niederlassung und einer hohen Einsatzbereitschaft. Beides wird durch die derzeitigen Rahmenbedingungen nicht unterstützt. Die gesetzliche Krankenversicherung ist die wichtigste Einnahmequelle der Praxen. Und obwohl die Einnahmen der Praxen aus der Behandlung von gesetzlich Versicherten deutlich stärker stiegen als die aus der Versorgung privat Versicherter, kann man nicht sagen, dass die Krankenkassen damit attraktive Bedingungen für die selbständige Tätigkeit in der Niederlassung schaffen. Vereinbarte Anhebungen der Preise für ärztliche Leistungen können die Kostensteigerung nicht kompensieren, aktuell resultiert sogar ein reales Minus“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
„Unbefriedigende Entwicklung der Überschüsse"
Somit bleibe den Praxisinhaberinnen und -inhabern weniger von den Einnahmen als Überschuss. Zumeist fließe der gesamte jährliche Einnahmenzuwachs in höhere Gehälter der Mitarbeitenden, so von Stillfried weiter. „Leider hält diese unbefriedigende Entwicklung der Überschüsse seit Jahren an. Zudem sind die Niedergelassenen zunehmend unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen: Mehr Bürokratie und mehr Aufwand für eine dysfunktionale Digitalisierung bedeuten weniger Zeit für Patientinnen und Patienten. Dies begünstigt den schleichenden Rückzug der Leistungsträger aus der medizinischen Versorgung. Schon jetzt spüren viele Patientinnen und Patienten die Auswirkungen einer seit Jahren verfehlten Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Angesichts sich weiter verschärfender Personalengpässe in der ambulanten Medizin sollte vielmehr alles dafür getan werden, das die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie deren Praxis-Teams den Patientinnen und Patienten möglichst viel Versorgungszeit zur Verfügung stellen können. Die nächste Bundesregierung sollte die Aufwertung der ambulanten Versorgung daher ganz weit oben auf der gesundheitspolitischen Agenda verankern.“
Ausblick auf die Zukunft
Im Rahmen der Erhebung sind Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber regelmäßig auch um Bewertungen der Arbeitsbedingungen und um einen Ausblick auf die Zukunft gebeten worden. Zwar bewerteten im ersten Halbjahr 2024 noch 48 Prozent der Praxisinhaberinnen und -inhaber ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als gut und 7 Prozent sogar als sehr gut. Der Ausblick auf die Zukunft fällt jedoch zunehmend schlechter aus. Folglich fiel der ZiPP-Klimaindex, der die Bewertung der Befragten zur aktuellen wirtschaftlichen Lage und zu den Zukunftserwartungen zusammenfasst, besonders negativ aus: Mit einem Gesamtwert von -10,4 Anfang 2023 und sogar von -14,3 Anfang 2024 wurden klar die schlechtesten Werte der letzten 10 Jahre gemessen. „Die anhaltend hohe Arbeitsbelastung bei abnehmendem Zeitanteil für die Patientenversorgung sowie eine allgemein angespannte Personalsituation bedrücken die vertragsärztliche Versorgung Tag für Tag. Dies zeigt unser aktueller Bericht sehr deutlich. Diese Wahrnehmung dürfte ausschlaggebend sein für die sich stark verschlechternde Lagebewertung der Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber und dafür, dass viele von ihnen über ein vorzeitiges Ausscheiden aus der Versorgung nachdenken. Insgesamt senden die Ergebnisse ein klares Signal an die Politik“, erklärte von Stillfried abschließend.
Das Zi-Praxis-Panel (ZiPP)
Mit dem ZiPP erfasst das Zi seit 2010 jährlich die Wirtschaftslage von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Berücksichtigt werden die Einnahmen aus kassenärztlicher und aus privatärztlicher Tätigkeit. Die Basis bildet die steuerliche Überschussrechnung der Praxen. Diese Daten werden direkt aus den Steuerunterlagen der Praxen erhoben. Die aktuell veröffentlichten Ergebnisse beruhen auf der Befragung des Jahres 2023 und beziehen sich auf die Berichtsjahre 2019 bis 2022. An der Erhebung 2023 haben 3.294 Praxen teilgenommen.
Zi-Praxis-Panel (ZiPP) > Jahresbericht 2023: Wirtschaftliche Situation und Rahmenbedingungen in der vertragsärztlichen Versorgung der Jahre 2019 bis 2022