Glaukom: Neues zu Neuroprotektion und Zelltherapie
Auf dem Glaucoma 360 Kongress in San Francisco wurden aktuelle Fortschritte im Bereich der Neuroprotektion bei Glaukom vorgestellt. Im Fokus standen dabei Verfahren, um die retinalen Ganglienzellen (RGC) zu ersetzen.

Dr. Jeffrey Goldberg (Stanford University) legte den Fokus auf die Übertragung experimenteller Erkenntnisse in den klinischen Alltag. Neben einem verbesserten Augeninnendruck-Management und der frühzeitigen Identifizierung von Biomarkern zur Verbesserung von Risiko-, Diagnose- und Verlaufsmessungen seien insbesondere Neuroprotektion, Regeneration und Neuroenhancement von Bedeutung.
Beim Glaukom degenerieren retinale Ganglienzellen und Sehnervenzellen, was zu Optikusneuropathien führt, so Dr. Goldberg, ohne dass sich die RGCs anschließend regenerieren oder ersetzen lassen. Daher gelte es einzugreifen, bevor die RGCs absterben. Mögliche neuroprotektive Ansätze könnte die Behandlungen mit Medikamenten (z. B. Nikotinamid), Virtual-Reality-Brillen und Elektrostimulation der Retina sein.
Dr. Goldberg berichtete auch über Forschungsarbeiten zu einem Implantat mit dem ciliären neurotrophen Faktor (CNTF). In präklinischen Studien sei CNTF einer der stärksten Promotoren für die Neuroprotektion und Regeneration von RGCs. Die Ergebnisse einer Phase-1-Studie (N = 11) waren positiv, und eine randomisierte, maskierte Phase-2-Studie wird derzeit durchgeführt.
Dr. Thomas V. Johnson (Wilmer Eye Institute, Johns Hopkins School of Medicine) stellte neue Entwicklungen bei RGC-Ersatztherapien vor. Fortschritte in der Herstellung humaner RGCs aus pluripotenten Zellen in großem Maßstab durch die Erzeugung pluripotenter Zellen im Labor und erste Machbarkeitsnachweise für eine funktionale Integration in Säugetieraugen weisen laut Dr. Johnson den Weg zur klinischen Anwendbarkeit.
Ein Schlüsselprojekt sei hier das RReSTORe-Konsortium (RGC Repopulation, Stem Cell Transplantation, and Optic Nerve Regeneration), dem auch Dr. Johnson angehört. Das internationale Konsortium widmet sich fünf zentralen Herausforderungen auf dem Weg zur funktionellen Wiederherstellung der Sehleistung bei schwerer Optikusneuropathie:
- RGC-Entwicklung und -Differenzierung
- Transplantationsmethoden und -modelle (u.a. Steigerung der Überlebensrate transplantierter Zellen)
- RGC-Überleben, -Reifung und Interaktion mit dem Wirtsgewebe
- Rekonstruktion der retinalen Schaltkreise
- Wiederherstellung der Konnektivität zwischen Auge und Gehirn
Dr. Johnson hob insbesondere folgende jüngste Errungenschaften hervor:
- Verbesserung der Transplantation durch Öffnung der inneren Grenzmembran (ILM), sowohl in Tier- als auch in Humanmodellen
- Entwicklung translationaler Ansätze für RGC-Transplantationen in klinisch relevanten Modellen
- Erzielung einer funktionellen Synaptogenese zwischen Spender-RGC-Dendriten und Wirtsneuronen des Stratum plexiforme internum (IPL)
Das RReSTORe-Konsortium wurde 2021 gegründet, um eine internationale Plattform für den interdisziplinären Austausch zu schaffen – mit dem Ziel, innovative Ansätze zur Wiederherstellung der visuellen Funktion bei Optikusneuropathien zu entwickeln. Dabei bringt das Konsortium über 200 führende und aufstrebende Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen und Karrierestufen zusammen.Die Initiative möchte Forschungsergebnisse schneller in die klinische Anwendung übertragen, um so neuartige Therapien zur Wiederherstellung der Sehleistung bei Erkrankungen wie Glaukom, ischämischer Optikusneuropathie oder Optikusneuritis zu ermöglichen.
Quelle: American Academy of Ophthalmology (AAO) / Retinal Ganglion Cell Repopulation, Stem Cell Transplantation and Optic Nerve Regeneration“ (RReSTORe)-Konsortium
Abbildung aus Soucy, J.R., Aguzzi, E.A., Cho, J. et al. Retinal ganglion cell repopulation for vision restoration in optic neuropathy: a roadmap from the RReSTORe Consortium. Mol Neurodegeneration 18, 64 (2023). https://doi.org/10.1186/s13024-023-00655-y