Meilenstein und Hoffnung: Erste zugelassene Gentherapie gegen frühkindliche Erblindung in München

Die Gentherapie bei der frühkindlichen Netzhauterkrankung Leber’sche Congenitale Amaurose ist endlich in der klinischen Praxis angekommen.

Meilenstein und Hoffnung:  Erste zugelassene Gentherapie gegen frühkindliche Erblindung in München

Bonn/München. Lange hat man auch in der Selbsthilfevereinigung für Menschen mit Netzhauterkrankungen PRO RETINA Deutschland auf diese Nachricht gewartet: Die Gentherapie bei der frühkindlichen Netzhauterkrankung Leber’sche Congenitale Amaurose ist endlich in der klinischen Praxis angekommen. An der Augenklinik des Universitätsklinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München wurde der ersten deutschen Patientin das vom Pharmaunternehmen Novartis vertriebene Medikament Luxturna verabreicht. Es gilt als erste ophthalmologische Gentherapie überhaupt und lässt Patienten mit erblichen Netzhauterkrankungen hoffen.

 

Bei einer frühkindlichen Dystrophie, verursacht durch eine Mutation des Gens RPE65, kommt es bereits im Kindesalter in Form einer Retinitis pigmentosa zu erheblichen Seheinschränkungen. Im jungen Erwachsenenalter droht dann die Erblindung.

 

„Für die jungen Betroffenen einer solch schwerwiegenden seltenen Netzhauterkrankung und für ihre Angehörigen ist der Einsatz von Luxturna ein ganz wichtiger, großer Meilenstein“, so Franz Badura, Vorsitzender der ältesten und renommiertesten Patientenorganisation für Menschen mit Netzhautdegenerationen, der PRO RETINA Deutschland e. V. Die Entwicklung dieser ersten Gentherapie wurden hier seit über 20 Jahren sehr aufmerksam verfolgt.

 

Luxturna kann die Nachtblindheit bei betroffenen Menschen verbessern, indem es den Verfall von Gewebe stoppt. „Diese erste zugelassene Gentherapie für eine erbliche Netzhautdegeneration ist eine ganz neue Behandlungsoption und ermöglicht erstmalig, eine solche Erkrankung ursächlich zu behandeln“, ergänzt Badura.

 

Erste Therapie-Erfolge: Bessere Orientierung im Raum

 

„Bei der zugelassenen Therapie handelt es sich um eine sogenannte Genadditionstherapie. Gesunde Genkopien werden unter die Netzhaut gespritzt, wo sie dann von der darunterliegenden Netzhautschicht, dem 'retinalen Pigmentepithel', aufgenommen und in den Zellkern eingeschleust werden“, erläutert Prof. Dr. med. Siegfried Priglinger, Direktor der LMU-Universitätsaugenklinik München. „Dort setzen sie die Produktion des fehlenden Enzyms in Gang.“

Luxturna transportiert demnach mit Hilfe eines veränderten Virus als „Taxi“ eine korrekte Version des Gens RPE65 in die Netzhaut und ermöglicht so die Produktion des fehlenden Enzyms, das für das normale Sehen entscheidend ist. Erste Ergebnisse aus den USA haben gezeigt, dass sich durch die Verabreichung von Luxturna die Orientierung im Raum bei betroffenen Menschen verbessert.

Im Rahmen der Zulassung durch die europäische Zulassungsbehörde EMA darf die neuartige Therapie bei Kindern und Erwachsenen seit Ende 2018 auch in Deutschland angewandt werden (PRO RETINA berichtete.) Von einer Leber’schen Congenitalen Amaurose sind hierzulande rund 2.000 Menschen betroffen. Bei schätzungsweise bis zu 300 Betroffenen liegt eine Mutation im RPE65 Gen vor.

 

Zuversicht: Therapiechancen auch für andere Netzhauterkrankungen

 

Hoffnung verbreitet die neuartige gentherapeutische Option aber auch bei anderen Menschen mit erblichen Netzhauterkrankungen“, weiß Dr. Sandra Jansen, Referentin für medizinische Fragen und Leiterin des Patientenregisters von PRO RETINA.

„Momentan kann zwar nur eine sehr kleine Patientengruppe von den Chancen einer Gentherapie profitieren“, erläutert sie. „Wir sind aber zuversichtlich, dass sich mit diesem Durchbruch die Türen zu weiteren Gentherapien für Betroffene öffnen können.“

 

Kostenlose Registrierung im PRO RETINA Patientenregister

 

Seit vielen Jahren setzt sich PRO RETINA Deutschland für eine Intensivierung der Forschung auf dem Gebiet der Netzhauterkrankungen ein. Mit ihrem seit 2017 eingerichteten Patientenregister verfolgt die bundesweite Patientenorganisation das Ziel, Forschung und Medizin mit den Patienten zu vernetzen. Mit der kostenlosen Registrierung im Patientenregister können Betroffene ihre Chancen erhöhen, an klinischen Studien zur Therapiefindung bei Netzhauterkrankungen teilzunehmen.