Zunahme der Kurzsichtigkeit bei Kindern entgegenwirken
Kontaktlinsen können eine Option sein
Düsseldorf 23.07.2019 – Wenn Kinder kurzsichtig werden, dann sind Kontaktlinsen eine gute Möglichkeit, das Fortschreiten des Sehfehlers zu bremsen. Dr. Oliver Hoppe, Leiter des Ressorts Kontaktlinsen im Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA), erläutert die Hintergründe.
„Bis zum Alter von etwa acht Jahren sind die meisten Kinder tendenziell weitsichtig“, berichtet Dr. Hoppe – das war zumindest bisher die Regel. Doch die Sehgewohnheiten der Kinder ändern sich: Naharbeit – darunter verstehen Augenärzte das andauernde Schauen auf Objekte in einem Abstand von 30 cm oder weniger – nimmt zu. Auch und gerade Kinder erliegen der Faszination von Smartphones, Tablets und Computern und beschäftigen sich gerne ausdauernd damit. Diese Naharbeit fördert die Entstehung der Kurzsichtigkeit, warnt Dr. Hoppe. Über komplexe Mechanismen fördert sie das Wachstum des Augapfels: Wenn das Auge sich ständig auf Objekte in naher Entfernung fokussiert, dann entsteht in den Randbereichen der Netzhaut ein unscharfes Bild. Dies wiederum scheint Faktoren zu aktivieren, die das Längenwachstum des Auges anregen. Ein „zu langer“ Augapfel ist aber kurzsichtig. Dann brauchen die Kinder nicht nur für das Sehen in der Ferne eine Sehhilfe, sondern bei starker Kurzsichtigkeit steigt auch das Risiko für Folgeerkrankungen im Erwachsenenalter. Deshalb gilt es zu vermeiden, dass der Sehfehler immer weiter zunimmt. Augenärzte sind bestrebt, das Wachstum der Augen zu bremsen, sie also im wahrsten Sinne des Wortes kurz zu halten.
Orthokeratologische Kontaktlinsen
Kontaktlinsen sind hier für manche Kinder eine Möglichkeit, dem Längenwachstum des Augapfels entgegenzuwirken. „Kontaktlinsen mit einer besonderen Geometrie, die nachts getragen werden, können die Hornhaut so formen, dass die Wirkung auch am Tag anhält“, erläutert Dr. Hoppe. Diese so genannten orthokeratologischen Kontaktlinsen sorgen dafür, dass die Hornhaut des Auges am Rand eine stärkere Krümmung erhält, so dass auch das äußere, periphere Netzhautbild scharf gestellt wird. Für diese Kontaktlinsen gibt es verschiedene Profile, die der Augenarzt auswählen kann, je nachdem wie groß das Risiko ist: Bei Kindern, deren Eltern bereits kurzsichtig sind oder auch bei Kindern asiatischer Herkunft ist die Gefahr einer Zunahme der Kurzsichtigkeit besonders groß. „Die Wirkung der orthokeratologischen Kontaktlinsen ist bis -4 Dioptrien als realistisch zu sehen. Eine geringe Hornhautverkrümmung bis etwa 0,75 Dioptrien kann eventuell mit korrigiert werden. Höhere Werte werden oft nicht vollständig ausgeglichen“, erläutert Dr. Hoppe. Wenn ein Kind die nachts getragenen orthokeratologischen Linsen nicht verträgt oder sich dagegen wehrt, dann besteht auch die Möglichkeit, denselben Effekt mit über den Tag zu tragenden Linsen zu simulieren. So kann der Augenarzt dem Kind und den Eltern verschiedene Optionen anbieten.
Allerdings erfordert die Therapie eine sorgfältige, fachkundige Begleitung. Wichtig ist es, dass die Augen regelmäßig augenärztlich untersucht werden. Insbesondere die Versorgung der Hornhaut mit Sauerstoff ist dabei zu beobachten. Denn Kontaktlinsen behindern eventuell die Sauerstoffversorgung der Hornhaut, was zu Schäden führen kann. Bei den nachts getragenen Linsen ist dieses Problem besonders zu beachten, da bei geschlossenen Lidern ohnehin schon weniger Sauerstoff an die Augenoberfläche gelangt. Auch die beim Tragen von Kontaktlinsen stets zu beachtenden Hygieneregeln müssen genau erläutert werden. Insbesondere bei den orthokeratologischen Kontaktlinsen werden Infektionen der Augenoberfläche häufiger beobachtet als bei tagsüber getragenen Linsen.
Therapie mit Augentropfen
Augentropfen, die niedrig dosiertes Atropin (0,01%) enthalten und die abends ins Auge getropft werden, sind eine weitere Möglichkeit, die Kurzsichtigkeit auszubremsen. Diese Behandlung kann kurzsichtigen Kindern im Alter zwischen etwa sechs und 14 Jahren angeboten werden, wenn die Kurzsichtigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien pro Jahr zugenommen hat. Die Augentropfen können mit Kontaktlinsen kombiniert oder auch als alleinige Therapie eingesetzt werden, meint Dr. Hoppe. Aber nicht jedes Kind spricht auf diesen Therapieversuch an. Diese Form der Behandlung, die in Asien in großen Studien getestet wurde, wird in Deutschland – anders als etwa in Österreich – nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt. Dr. Hoppe betont, dass eine gründliche augenärztliche Untersuchung die Grundlage für die Behandlung ist.
Der BVA empfiehlt, aktiv zu werden, wenn Kinder im Schulalter kurzsichtig werden. Augenärzte beraten über die geeignete Therapie und begleiten die Kinder, bis sie erwachsen sind und auch die Augen nicht mehr weiter wachsen.
Noch besser ist es natürlich, wenn ein Kind gar nicht erst kurzsichtig wird. Deshalb rät auch Dr. Hoppe allen Eltern, ihre Kinder möglichst zwei Stunden am Tag im Freien spielen zu lassen – denn dann sinkt das Risiko für die Kurzsichtigkeit. Und die Zeit, die mit Naharbeit verbracht wird – also auch mit Smartphones, Tablets und Co – sollte sich in Grenzen halten.