Stellungnahme der DGII zur aktuellen Covid 19-Pandemie

Sehen bewahren - und Leben retten!

©KellySikkema_Unsplash
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Die Zeiten, die unsere Gesellschaft, unsere Welt zurzeit durchlebt, stellen eine Herausforderung dar, von der niemand erwartet hatte, einmal im Leben damit konfrontiert zu werden. Wie die gesamte Heilkunde wird auch die Ophthalmologie und mit ihr die Ophthalmochirurgie in diesen Tagen reagieren müssen, werden Überlegungen angestellt und Strategien entwickelt werden, die uns allen bislang fremd, gar undenkbar waren.

In den nächsten Tagen und sicherlich Wochen, vielleicht auch Monaten, in denen die Welt unter dem Eindruck der Pandemie durch das neue Coronavirus steht, ist es unsere Verpflichtung, die Kernaufgabe der operativen Augenheilkunde, die Sicherung und meist auch die Verbesserung des Sehvermögens, mehr denn je in Einklang mit der allerwichtigsten Maxime ärztlichen Wirkens zu bringen - dem Retten von Leben.

Noch gibt es Vieles, das wir über das Virus und die von ihm ausgehende Bedrohung nicht wissen. Eines jedoch ist unumstößlich deutlich geworden: die Infektion bedroht in ganz besonderem Maße alte und kranke Menschen; sie machen bislang das Gros der an der Covid 19-Pandemie Gestorbenen aus. Diese Population - ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger, Menschen mit chronischen Krankheiten wie Diabetes mellitus - ist indes auch jenes Segment der Bevölkerung, mit dem die operative Augenheilkunde mehr als mit jedem anderen demographischen Kollektiv tagtäglich in Klinik und Praxis zu tun hat. Die DGII hat (auch wenn sie heute viele Felder der Ophthalmochirurgie abdeckt) ihren Schwerpunkt seit der Gründung vor mehr als 30 Jahren in der Kataraktchirurgie. Diese ist auch - mit über 900.000 Eingriffen pro Jahr allein in Deutschland - die häufigste operative Intervention in der modernen Medizin überhaupt. Und diese Patienten stehen fast immer im hohen oder gar sehr hohen Lebensalter.

Diesen Menschen, die nicht nur in den Kliniken, sondern auch in der augenärztlichen Praxis weithin die Mehrheit der ophthalmologisch Betreuten darstellt, gilt unsere besondere Verantwortung. Die Kataraktoperation und mehr noch die Refraktivchirurgie sind elektive Eingriffe. Wir sind stolz auf die damit erzielten Erfolgsraten, doch diese sind jetzt zur Nebensache geworden. Den älteren und den chronisch kranken Menschen gilt es, jeden nicht vital notwendigen Kontakt mit potentiellen Überträgern und Reservoirs von Viren für die nächste Zeit zu ersparen – gemeinsame Krankentransporte, Kontakte mit medizinischem Personal von der Rezeption bis zum Arzt, das Sitzen in Wartezimmer und an Untersuchungsgeräten. Wer sich des engen Kontaktes mit dem Patienten zum Beispiel an der Spaltlampe bewusst ist, mag die potentielle Gefährdung einzuschätzen wissen.

Die DGII empfiehlt daher
- jedwede nicht vital oder quoad visum dringend notwendige Behandlung, Betreuung und Untersuchung von Patienten und ganz speziell von den genannten unter erhöhtem Risiko stehenden Menschen derzeit auszusetzen;
- Kataraktoperationen und andere nicht notwendige Eingriffe wie zum Beispiel die Refraktivchirurgie, Strabismuschirurgie und Glaukomoperationen bei Patienten, bei denen eine medikamentöse IOD-Einstellung möglich ist, momentan nicht durchzuführen oder anzubieten;
- Untersuchungen zu unterlassen, deren Erkenntnisgewinn in keinem Verhältnis zum Gesundheitsrisiko für Patient und Personal steht. Eine IOD-Messung bei einem seit langem betreuten und vom Druck her gut eingestellten Glaukompatienten beispielsweise ist ebenso wenig dringlich wie andere Routinekontrollen;
- als Ophthalmologen und Ophthalmochirurgen für tatsächliche augenärztliche Notfälle – wie beispielsweise u.a. Traumata, Netzhautablösungen, akute Glaukomanfälle - mit allen erforderlichen Optionen und dem bestmöglichen Fachwissen bereit zu stehen;
- die medizinischen Kapazitäten unseres Faches, unserer Kliniken überall dort, wo die Möglichkeiten einer solchen Konversion gegeben sind, für die medizinische Versorgung von an der Covid 19-Infektion Erkrankten zur Verfügung zu stellen und wo immer möglich, Leben zu retten. Vielfach ist es das Leben von Patienten, die wir bereits ophthalmochirurgisch betreut haben oder für die wir dies in Zukunft tun können.

Es kommt jetzt auf uns alle an - wir müssen die richtigen Prioritäten setzen. Die nächsten zwei, drei Wochen werden entscheidend sein. Für unser Fach, für unsere Gesellschaft, für unsere Patienten.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Univ.-Prof. Dr. G. Auffarth
Priv.-Doz. Dr. C. Wirbelauer
Univ.-Prof. Dr. H.B. Dick