Planbare Eingriffe sind für unbestimmte Zeit kaum möglich ‒ und die variable Vergütung?

von RA und FA für ArbeitsR und SteuerR Norbert H. Müller und RA und FA für ArbeitsR und MedizinR, Marc Rumpenhorst www.klostermann-rae.de Die Bundesregierung hat mit den Regierungschefs der Länder am 12.03.2020 u. a. beschlossen, dass sich die Krankenhäuser in Deutschland auf den erwartbar steigenden Bedarf an Intensiv- und Beatmungskapazitäten zur Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen durch COVID-19 konzentrieren sollen, weshalb, soweit med...

Planbare Eingriffe sind für unbestimmte Zeit kaum möglich ‒ und die variable Vergütung?

von RA und FA für ArbeitsR und SteuerR Norbert H. Müller und RA und FA für ArbeitsR und MedizinR, Marc Rumpenhorst www.klostermann-rae.de

Die Bundesregierung hat mit den Regierungschefs der Länder am 12.03.2020 u. a. beschlossen, dass sich die Krankenhäuser in Deutschland auf den erwartbar steigenden Bedarf an Intensiv- und Beatmungskapazitäten zur Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen durch COVID-19 konzentrieren sollen, weshalb, soweit medizinisch vertretbar, grundsätzlich alle planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe in allen Krankenhäusern ab dem 16.03.2020 auf unbestimmte Zeit verschoben und ausgesetzt werden. Diese Maßnahme bereitet nicht den betroffenen Patienten Sorge über die weitere Behandlung, sondern wirkt sich auch auf die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser sowie der Leitenden Ärzte aus.

Wie wird der Ausfall der variablen Vergütung kompensiert?

Für die meisten Leitenden Ärzte ist die variable Vergütung in Form der Partizipation an den Einnahmen aus wahlärztlichen und ambulanten Leistungen ein ganz wesentlicher Vergütungsbestandteil und macht teilweise bis zu 50 Prozent und mehr der Gesamtvergütung aus. Wenngleich nicht vordringlich, gleichwohl aber berechtigt, stellt sich die Frage, ob Ersatz- oder Ausgleichsansprüche bestehen.

Bei der Beantwortung dieser Frage ist zunächst zwischen den unterschiedlichen Vergütungsformen zu differenzieren.

  • Teilweise sind Chefärzte an den Liquidationseinnahmen des Krankenhausträgers aus gesondert berechenbaren wahlärztlichen und ambulanten Leistungen intern beteiligt (sogenannte Beteiligungsvergütung),
  • teilweise ist ihnen das Liquidationsrecht für diese Leistungen eingeräumt bzw. die ambulante Beratung und Behandlung als Nebentätigkeit mit entsprechender Liquidationsmöglichkeit genehmigt worden.

Beteiligungsvergütung

Bei der Beteiligungsvergütung stellt sich der rechtliche Rahmen grundsätzlich, wie folgt, dar: Der Chefarzt bietet seine vertragsgemäß geschuldete Leistung in Form der verantwortlichen Führung und Leitung der Abteilung sowie auch die Durchführung von Behandlungen im stationären und ambulanten Bereich, an deren Erlösen er vertraglich zu beteiligen ist, weiterhin an, jedoch nimmt der Krankenhausträger die ihm angebotene Leistung nicht an, weil er aufgrund der Zurverfügungstellung oder auch nur Vorhaltung der Betten für COVID-19-Erkrankte keine elektiv zu behandelnden Patienten aufnehmen darf. Die Nichtannahme der vom Chefarzt angebotenen Leistung führt zum sogenannten Annahmeverzug des Krankenhausträgers. Auf ein Verschulden oder Vertreten müssen der Nichtannahme der Leistung kommt es grundsätzlich nicht.

In der Folge schuldet der Krankenhausträger im Falle des Annahmeverzugs die (variable) Vergütung, die der Chefarzt bei Annahme der von ihm angebotenen Leistung verdient hätte. Dies ist bei rein hypothetischen Patientenzahlen und Einnahmen schwierig, objektiv zu konkretisieren, sodass hinsichtlich der Höhe des Verzugsschadens mangels konkreter Berechnungsmöglichkeit die Schätzung unter Zugrundelegung eines 3- bis 12-Monatsdurchschnitts des dem Annahmeverzug vorangegangenen Zeitraum zulässig ist.

Liquidationsrecht

Schwieriger gestaltet sich die Begründung von Ansprüchen des Arztes, wenn ihm das Liquidationsrecht eingeräumt worden ist. Das Liquidationsrecht stellt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens aus dem Jahr 2011 eine Erwerbsmöglichkeit dar, die das Krankenhaus dem Chefarzt als Gegenleistung für seine Arbeit einräumt. Allerdings sollen dem Arzt mit der Einräumung des Liquidationsrechts keine zusätzlichen Einnahmen verschafft werden, so das BAG, sondern im Sinne einer Naturalvergütung sollen ihm eine Erwerbchance und die hierzu erforderlichen Rahmenbedingungen gewährt werden. Stelle der Krankenhausträger dem Arzt die personellen und sächlichen Mittel zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen nicht zur Verfügung, so das BAG weiter, mache sich das Krankenhaus allenfalls schadenersatzpflichtig.

Der Schadenersatzanspruch setzt allerdings voraus, dass der Krankenhausträger seine Pflichtverletzung zu vertreten hat. Ein entsprechendes Verschulden des Krankenhauses könnte vor dem Hintergrund der sicherlich sinnvollen und offensichtlich notwendigen Erlasse der Landesregierungen zu verneinen sein; auf der anderen Seite erfüllt das Krankenhaus mit der ‒ wenn auch verpflichtenden ‒ Aussetzung elektiver Eingriffe gleichwohl seine sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten nicht und erhält dafür auch eine Entschädigung in Form einer anderweitigen Vergütung je Tag je Bett. Die Bundesregierung hat durch gesetzliche Maßnahmen zügig sichergestellt, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie seitens der gesetzlichen Krankenkassen ausgeglichen werden und kein Krankenhaus dadurch ins Defizit gerät.

Praxistipp | Zumindest sollte daher darauf hingewirkt werden, dass auch der Chefarzt an den finanziellen Entlastungen des Krankenhauses aus dem Gesundheitsfonds für die Vorhaltung von Betten partizipiert.

Zielvereinbarungen sind Makulatur

Vor dem Hintergrund der Coronakrise und ihrer Auswirkungen auf die einzelnen Krankenhäuser, Beschäftigten und Patienten dürften sicherlich auch die zu Jahresbeginn geplanten und vereinbarten Ziele ‒ seien es Ziele wirtschaftlicher Natur, seien es qualitative Ziele wie Zertifizierungen etc. ‒ in Abhängigkeit von der Dauer der Krise kaum mehr zu erreichen sein. Insoweit böte sich sicherlich eine Anpassung der Bonusregelungen/Zielvereinbarungen an, um nach Ablauf des Zielvereinbarungszeitraums Fragen über Ausgleichs- und Ersatzansprüche zu vermeiden.