Starke ambulante Versorgung ermöglicht Ausstieg auf Raten
Gassen: "Wir sind noch nicht über den Berg"
Mit Blick auf eine mögliche Lockerung der Einschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus hat der Vorstand der KBV auf die besondere medizinische Versorgungssituation in Deutschland hingewiesen. „Wir können über Exitstrategien nachdenken, weil wir mit einem starken ambulanten Bereich gut aufgestellt sind“, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen heute auf einer Video-Pressekonferenz.
„Wir sind noch nicht über den Berg“, betonte Gassen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des SARS-CoV-2 sei zwar gesunken, ebenso die Zahl der Neuinfektionen, allerdings wachse der Anteil der Infizierten in den älteren Bevölkerungsgruppen.
Es bedürfe intelligenter Lösungen, wie die individuellen Freiheitsrechte gelockert werden könnten, ohne die Risikogruppen zu gefährden, sagte Gassen. Er halte einen „Ausstieg auf Raten“ für möglich.
Hofmeister: Trennung der Patienten ist essenziell
Die Trennung von COVID-19-Erkrankten von Patienten mit anderen gesundheitlichen Problemen, zum Beispiel durch Infektionssprechstunden, sei essenziell, hob der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Dr. Stephan Hofmeister, hervor. Vor allem ältere COVID-19-Patienten oder solche mit Vorerkrankungen bedürften zu Hause einer besonderen ärztlichen Überwachung.
Diese und weitere Maßnahmen würden auch nach Beendigung des Shutdowns zu leisten sein, sagte Hofmeister und ergänzte: Über einen entsprechenden Maßnahmenkatalog werde man auch gemeinsam mit der Politik beraten.
Schutzausrüstung fehlt weiter
Beide Vorstände wiesen nochmals darauf hin, dass die Praxen dringend ausreichend Schutzmaterialien benötigen. Die Situation habe sich zwar etwas verbessert, der Bedarf sei aber längst nicht gedeckt, sagte Gassen.
Vor allem in Bundesländern, in denen seit einer Woche die Landesregierungen die Verteilung übernehmen, hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) keine Materialien mehr bekommen. Viele seien dabei, selbst Schutzausrüstung für ihre Mitglieder zu beschaffen. Das Problem, warum zu wenig ankomme, sei oftmals der Transport der Materialien beispielsweise von China nach Deutschland.
Über 330.000 Test innerhalb einer Woche
Weiter gestiegen ist die Zahl der Labortests auf über 330.000 in der vergangenen Woche. 9,2 Prozent der Tests seien positiv gewesen, sagte Gassen. Mehr als die Hälfte der Abstriche kämen aus Arztpraxen. Die Zahl der Untersuchungen könnte laut Gassen weiter gesteigert werden. Aufgrund von Lieferengpässen fehle es allerdings an Material wie Abstrichtupfern oder Reagenzien.
Antikörpertest nur bedingt einsatzfähig
Zu der aktuellen Diskussion um Antikörpertests sagte Gassen, dass die verfügbaren Tests eine zu geringe Spezifität hätten. Zudem seien Antikörper in der Regel erst etwa 14 Tage nach Erkrankungsbeginn nachweisbar.
Nach jetzigem Stand seien Antikörpertests als GKV-Leistung nur ab der dritten Woche nach typischer COVID-19-Symptomatik vertretbar, sofern keine PCR-Testung durchgeführt wurde oder der PCR-Test negativ war. Nach ärztlichem Ermessen könnte der Test auch zur Anwendung kommen, wenn ein Patient akute Atemwegssymptome und Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall hatte. Auch dann nur, sofern keine PCR-Testung erfolgte und ebenfalls ab der dritten Woche nach Kontakt.
Deutlicher Anstieg bei Videosprechstunden
Gassen wies auf die zahlreichen Sonderregelungen für die ambulante Versorgung hin. Einen deutlichen Schub habe es bei der Videosprechstunde gegeben, die während der Corona-Pandemie unbegrenzt möglich ist. Im ersten Quartal hätten mehr als 21.000 Praxen allein in 13 Bundesländern ihrer KV mitgeteilt, dass sie jetzt einen Videodienstanbieter ausgewählt hätten, davon 19.500 im März.
Sonderweg für die telefonische Konsultation
Auch eine telefonische Beratung ist seit voriger Woche in dem Umfang möglich, „wie es medizinisch sinnvoll ist“, erläuterte Gassen. Zu einzelnen Forderungen, die Telefonkonsultation für nicht bekannte Patienten zu öffnen oder noch mehr Gesprächszeit anzubieten sagte er, eine Behandlung per Telefon könne nur die Ausnahme sein und sei auch nicht für alle Patienten geeignet. Wer krank sei, sollte auch weiterhin in die Praxis kommen.
„Wir haben einen Sonderweg für den rein telefonischen Kontakt währen der Corona-Krise geschaffen“, ergänzte Hofmeister. Er wies zudem daraufhin, dass bei einer ausschließlichen Telefonkonsultation das Gesprächsbudget der Hausärzte nicht belastet werde. Sollte der Patient doch in die Praxen kommen, könnte der Arzt alle anderen Leistungen vollumfänglich abrechnen.
quelle: kbv.de