Wir beobachten das Virus wie kein anderes zuvor - mit welchen Ergebnissen?

Die Bilder aus den USA, Italien und Spanien sind schockierend. Aber das ist Fernsehen und Fernsehen ist keine Wissenschaft. Tag für Tag bekommen wir in den Nachrichten die Zahlen aus aller Welt präsentiert und das macht Angst. Die Einordnung bzw. Beurteilung dieser Zahlen, ist aber noch ungleich schwieriger vorzunehmen, als die Daten aus Deutschland.

Barbara Diesing - Chefredaktion EYEFOX ©EYEFOX UG
Barbara Diesing - Chefredaktion EYEFOX ©EYEFOX UG

Aber wie ist der Stand inzwischen zu den Zahlen für Deutschland?

Um eine Studie in der Medizin überhaupt durchführen zu können, müssen strenge wissenschaftliche Kriterien erfüllt werden. Jeder Ophthalmologe, der Zahlen zu einer Studie präsentiert, muss erklären, wie er zu den Ergebnissen gelangt ist, und die Zahlen ggf. von einem Medizinstatistiker überprüfen lassen. Das hat sich bewährt und ist gut und richtig.

Warum ist es in dieser für uns alle schwierigen Lage nicht möglich, dass wie in der Wissenschaft und Medizin üblich, mit verlässlichen und beurteilbaren Zahlen gearbeitet wird. Im Fernsehen werden wir u.a. mit den Daten der Johns-Hopkins-Universität versorgt. Diese sind höher als die des RKI, speisen sicher aber aus Quellen, die weit weniger verlässlich erscheinen.

Aber egal woher die Zahlen nun kommen, haben sie doch eins gemeinsam: Die Zahlen aus Funk und Fernsehen zu gemeldeten Infektionen und zur Sterblichkeit haben eine geringe Aussagekraft und sind nicht valide. 

In einem Thesenpapier von renommierten Ärzten, Wissenschaftlern, Experten und Sachverständigen wird darauf eingegangen und dazu werden drei Thesen zur aktuellen Lage (Stand 05.04.2020) aufgestellt. 

1. Die zur Verfügung stehenden epidemiologischen Daten (gemeldete Infektionen, Letalität) sind nicht hinreichend, die Ausbreitung und das Ausbreitungsmuster der SARS-CoV-2/Covid-19-Pandemie zu beschreiben, und können daher nur eingeschränkt zur Absicherung weitreichender Entscheidungen dienen.

2. Die allgemeinen Präventionsmaßnahmen (z.B. social distancing) sind theoretisch schlecht abgesichert, ihre Wirksamkeit ist beschränkt und zudem paradox (je wirksamer, desto größer ist die Gefahr einer „zweiten Welle“) und sie sind hinsichtlich ihrer Kollateralschäden nicht effizient. Analog zu anderen Epidemien (z.B. HIV) müssen sie daher ergänzt und allmählich durch zielgruppenorientierte Maßnahmen ersetzt werden, die sich auf die vier Risikogruppen hohes Alter, Multimorbidität, institutioneller Kontakt und Zugehörigkeit zu einem lokalen Cluster beziehen.

3. Entstehung und Bekämpfung einer Pandemie sind in gesellschaftliche Prozesse eingebettet. Die derzeitig angewandte allgemeine Präventionsstrategie (partieller shutdown) kann anfangs in einer unübersichtlichen Situation das richtige Mittel gewesen sein, birgt aber die Gefahr, die soziale Ungleichheit und andere Konflikte zu verstärken. Es besteht weiterhin das Risiko eines Konfliktes mit den normativen und juristischen Grundlagen der Gesellschaft. Demokratische Grundsätze und Bürgerrechte dürfen nicht gegen Gesundheit ausgespielt werden."

Die Einbeziehung von Experten aus Wissenschaft und Praxis muss in einer Breite erfolgen, die einer solchen Entwicklung entgegenwirkt. In diesem Papier der Experten aus den wichtigen und bei der Pandemiebekämpfung beteiligten Bereichen wird auf den Punkt gebracht, worum es jetzt geht.

Bei jeder Bundestagwahl kann um 18:00 Uhr eine präzise Hochrechnung erstellt werden, die den Wahlausgang (amtliches Endergebnis) ziemlich genau vorhersagt. Aktuell warten wir auf verlässlichen Daten die uns sagen, ob unsere Kapazitäten zur Bewältigung dieser Krise reichen werden. Das ist doch die alles entscheidende Frage, bestätigt auch Herr Prof. Streeck in seinem Interview mit der „Zeit“ vom 06. April.

Seine Studie in Heinsberg läuft zurzeit noch. Auch mahnt er, sich mehr auf Fakten und weniger auf Annahmen zu stützen. Dem können wir nur zustimmen. In der heutigen gerade zu Ende gegangenen Pressekonferenz, konnten bereits erste Ergebnisse bekannt gegeben werden. Nach Ostern wird er voraussichtlich konkrete Empfehlungen geben können. Das macht Mut, denn viele Ärzte und Kliniken sind in dieser Zeit weitgehend zur Untätigkeit verdammt und können Patienten nicht helfen, weil alles der Coronabekämpfung untergeordnet wird. Das erscheint paradox.

Der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel untersucht SARS-CoV-2/Covid-19 Tote aus der Hansestadt. In einem Interview mit der „Hamburger Morgenpost“ spricht er über seine wissenschaftlichen Erkenntnisse und hält die Angst vor dem Virus für überzogen. „Dieses Virus beeinflusst in einer völlig überzogenen Weise unser Leben. Das steht in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die vom Virus ausgeht.“ Alle Menschen, die er untersucht habe, hatten Vorerkrankungen und das Virus sei in diesen Fällen nur der letzte Tropfen gewesen.  

Aktuell ist die Lage unter Kontrolle, das belegen auch die Zahlen der Plattform DIVI (freie Kapazitäten für Intensivbehandlung und Beatmungskapazitäten / Ländertabelle). Das ist gut und zeigt was unser Gesundheitssystem leisten kann. Aktuell (Stand Veröffentlichung 09.04.2020) ist ein erfreulicherweise deutlicher Rückgang der beatmeten SARS-CoV-2/Covid-19 Fälle zu verzeichnen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass Patienten oft lange auf einen Facharzttermin warten müssen. Es ist nicht zu beurteilen, wie viele Patienten durch diesen Shutdown nicht reparable Schäden erleiden. Auf der anderen Seite haben auch alle Augenarztpraxen und Kliniken mit Ungewissheiten zu kämpfen und müssen teilweise Kurzarbeit anmelden oder ihre Mitarbeiter in den Urlaub schicken. Hier gibt es keine Win-Win-Situation. Hier gibt es nur Verlierer. 

Und darum ist es dringend geboten, die getroffenen Maßnahmen schneller und kontinuierlich zu überprüfen. Es mehren sich die Daten und die Stimmen vieler renommierter Mediziner, Experten und Wissenschaftler, die neue Bewertungen fordern.

Auch in unserer Umfrage, die wir in der vergangenen Woche ins Netz gestellt haben, bestätigt sich dieses Bild:

 

Bitte beteiligen Sie sich weiter an unserer Umfrage, damit wir Ihnen ein möglichst genaues Bild wiedergeben können.

Alle relevanten Informationen zur aktuellen Corona Situation für Augenärzte finden Sie unter diesen Link