Erfolgreich in die neue Normalität
Auch wenn sich allmählich Lockerungen des Shutdowns abzeichnen, wird es immer klarer: Man muss sich künftig wohl dauerhaft mit einer "neuen Normalität" arrangieren.
Für den augenärztlichen Bereich bedeutet das, dass wieder elektive Eingriffe und diagnostische Verfahren durchgeführt werden können.
Aber „neue Normalität“ bedeutet:
Es bleibt aktuell ein Zustand mit vielen Einschränkungen und Erschwernissen. Nach wie vor ist es nicht einfach, Schutzmaterial in ausreichender Qualität und Menge zu bekommen. Dabei handelt es sich nicht nur um Masken, sondern auch um Atemschutz für die Spaltlampe oder so genannte Face Shields. Das sind zum einen zusätzliche Kosten und zum anderen sind Preise für normale Schutzkleidung wie Kittel und OP-Masken enorm gestiegen, sodass Sachkosten in Klinik und Praxis zusätzlich in die Höhe steigen.
Die „neue Normalität“ impliziert, dass dieser Zustand länger anhält, vermutlich bis ein Impfstoff gefunden ist. Die allgemeinen Handlungsempfehlungen (auch die des Berufsverbandes der Augenärzte) beinhalten Hygienemaßnahmen, die einen enormen zusätzlichen Aufwand und damit Kosten bedeuten. Die meisten Patienten in der Augenheilkunde sind Risikopatienten (z. B. durch ein hohes Alter oder Grunderkrankungen wie Diabetes). Diese Patienten getrennt von den anderen zu behandeln ist geboten, aber nur mit großem Aufwand organisatorisch und baulich um zusetzten. Auf Grund der Aussichten, dass diese Vorsichtmaßnahmen aber noch lange empfohlen werden, muss sich jede Einrichtung damit auseinander setzten. Niemand möchte sich dem Risiko aussetzten, dass sich in seiner Einrichtung jemand angesteckt hat. Was das in der aktuellen Situation bedeutet, erleben die Mitarbeiter des Ernst-von-Bergmann-Klinikums hautnah.
Um rechtssicher Arbeiten zu können sind eine Reihe von Maßnahmen nötig:
Damit sich möglichst wenig Patienten in einer Klinik oder Praxis begegnen, muss die Zahl weiter sehr eingeschränkt bleiben und die Sprechzeiten müssen ausgeweitet werden. Das kann nur über längere Arbeitszeiten für Ärzte und Patienten abgebildet werden. Doch gerade weil es in den vergangenen Wochen in vielen Kliniken und Praxen ruhiger zugegangen ist, kommt mit den Lockerungen nun eine gewaltige Welle auf alle zu.
In größeren Praxen und Kliniken ist es eher möglich Teams zu bilden, die getrennt voneinander arbeiten, um Ansteckungen zu vermeiden. Auf Dauer bedeutet das einen höheren Personalbedarf, auch in kleineren Praxen. Allerdings bleibt an dieser Stelle die Frage unbeantwortet, wie Ärzte noch längere Arbeitszeiten aushalten sollen, da sie schon in Vor-Corona-Zeiten überdurchschnittlich lange Arbeitstage hatten. Augenärzte gibt es schon jetzt zu wenige.
Da niemand weiß, wie lange dieser Zustand anhält und alle auch nach dieser Erfahrung mit den Covid-19 Viren die Möglichkeit einer Pandemie im Blick haben müssen, brauchen wir schnell neue tragfähige und finanzierbare Konzepte die eine gute Patientenversorgung wieder ermöglichen.
Ein möglicher Ansatz ist die Ausbildung und der Einsatz des Arztassistenten (Physischen Assistent). Das anerkannte Bachelor-Studium kann in Deutschland seit 2005 absolviert werden. In der Ophthalmologie ist nach unseren aktuellen Recherchen der Einsatz von Arztassistenten nicht bekannt oder wird nicht praktiziert. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Arbeitsentlastung, Auffangen personeller Engpässe, höhere Prozessroutine und damit Verbesserung der Patientenzufriedenheit und Versorgungsqualität, neue Karrieremöglichkeiten für nicht-ärztliches Personal, Steigerung der Attraktivität des Berufes und der Augenheilkunde als Disziplin, Erhöhung der Arbeitszufriedenheit innerhalb der Berufsgruppen, mehr Möglichkeiten zur Förderung individueller Kompetenzen, Flexibilisierung der Versorgung, Kostenreduktion der Gesundheitsversorgung, Stärkung des Teamgedankens (vgl. Forschungsbericht DKI e.V. Düsseldorf, November 2016).
Es ist nicht damit getan eine Cycloplegiekontrolle oder einen gut eingestellten Glaukompatienten zu verschieben und sicher ist es aktuell kein Problem, ein rotes Auge erst einmal am Telefon abzuklären, aber das sind die wenigsten Patienten. Trotzdem benötigt der gut eingestellte Patient irgendwann wieder eine Kontrolle, denn einmal entstandene Schäden sind nicht mehr rückgängig zu machen.
Natürlich geben Krankenhausentlastungsgesetz und Honorarschutzschirm, im Gegensatz zu anderen Bereichen in der Wirtschaft und im gesellschaftlichen Leben, wenigstens finanziell eine gewisse Sicherheit. Aber damit sind bei weitem nicht 90% aller Einnahmen abgedeckt, sondern nur die Leistungen der MGV (morbiditätsbedingte Gesamtvergütung) und EGV (extrabudgetäre Gesamtvergütung). Einnahmen in Kliniken und Praxen bestehen aber oft zu einem Großteil aus Privateinnahmen (privat Krankenversicherte und Beihilfe), sowie Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese sind nicht abgedeckt.
Zusätzliche Hilfe kann das Kurzarbeitergeld bieten. Das Kurzarbeitergeld wird unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. Im Amtsdeutsch heißt das: „wenn in Betrieben oder Betriebsabteilungen die regelmäßige betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit infolge wirtschaftlicher Ursachen oder eines unabwendbaren Ereignisses vorübergehend verkürzt wird“.
In der Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 24. April (gültig bis 31.12.2024) ist genau das näher geregelt; dazu heißt es aktuell: „Vertragsärzte haben bei einem, z.B. auf einer Pandemie beruhenden Honorarausfall von mehr als 10 % Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach § 87a Abs. 3b SGB V. Dadurch wird der Arbeitsausfall ähnlich einer Betriebsausfallversicherung ausgeglichen, so dass kein Raum für die Zahlung von Kurzarbeitergeld besteht.“ (Quelle: Bundesagentur für Arbeit)
Die KBV hat dazu aber bereits mit dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gesprochen und darauf verwiesen, dass die Mehrheit der Arztpraxen keine reinen Vertragspraxen sind und somit Verluste trotz Schutzschirm entstehen.
Sollten Sie Kurzarbeitergeld beantragt haben, sollten Sie bei der Bearbeitung des Kurzarbeitergeldes auf eine individuelle Prüfung bestehen und sich nicht mit der Begründung „Schutzschirm“ zufrieden geben.
Aktuell kommen die Dinge also wieder in Bewegung, aber vieles ist ungelöst und es Bedarf neuer Lösungen.
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