Tarifvertrag für Ärzte / VKA mit Neuregelungen 2020

Der Marburger Bund hat für Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Krankenhäusern Verbesserungen insbesondere im Bereich der Arbeitszeit sowie der Bereitschafts-/Rufbereitschaftsdienste verhandelt, die am 22.05.2019 als Änderungstarifvertrag Nr. 7 in Form einer Niederschriftserklärung mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vereinbart, allerdings erst nach noch länger andauernden Redaktionsverhandlungen am 21.09.2019 verabschiedet wurden.

©Adobesock
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Die folgenden Änderungen sind überwiegend zum 01.01.2020 in Kraft getreten und bei der Dienstplangestaltung zu beachten.

Arbeitszeiterfassung

Bereits zum 01.07.2019 hatten sich die Tarifvertragsparteien für die an den kommunalen Krankenhäusern beschäftigten Ärztinnen und Ärzte auf formelle Vorgaben zur Erfassung der Arbeitszeiten geeinigt und sind somit möglicherweise dem Gesetzgeber in der noch erwarteten Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 14.05.2019 (Az. C-55/18) zuvorgekommen. Nach diesem Urteil bedarf es eines Systems, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Nach § 14 TV-Ärzte/VKA sind die Arbeitszeiten der Ärztinnen und Ärzte durch elektronische Verfahren oder auf andere Art mit gleicher Genauigkeit so zu erfassen, dass die gesamte Anwesenheit am Arbeitsplatz (= Arbeitszeit mit Ausnahme von Pausen) dokumentiert ist. Zur Überprüfung steht der Ärztin bzw. dem Arzt ein persönliches Einsichtsrechts in die Arbeitzeitdokumentation zu, das unverzüglich zu gewähren ist.

Dienstplanung

Auch die Anforderungen an die Dienstplangestaltung sind gestiegen. So ist die Lage der Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste jeder einzelnen Ärztin und jedes einzelnen Arztes in einem Dienstplan zu regeln, der spätestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraums aufzustellen ist. Bei verspäteter „Aufstellung“ erhöht sich die Vergütung für Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste des zu planenden Folgemonats.

Der aufgestellte Dienstplan kann nur aus Gründen geändert werden,

·         die in der Person einer Ärzte/eines Arztes begründet sind, oder

·         die auf nicht vorhersehbaren Umständen beruhen.

Auch bei der Dienstplanänderung erhöht sich die Vergütung für die Dienste des Folgemonats, wenn zwischen der Änderung und dem Antritt des Dienstes weniger als 3 Tage liegen.

Bereitschaftsdienste

Die Anzahl der innerhalb eines Kalenderhalbjahrs grundsätzlich monatlich im Durchschnitt zu leistenden Bereitschaftsdienste wird auf 4 Dienste beschränkt (§ 10 Abs. 10 TV-Ärzte/VKA). Darüber hinausgehende Bereitschaftsdienste sind nur zu leisten, wenn anderenfalls eine Gefährdung der Patientensicherheit droht. Ab mehr als monatlich 4 Diensten erhöht sich die Bewertung des Bereitschaftsdienstes um 10 Prozentpunkte, und dieser Zuschlag erhöht sich bei jedem weiteren Bereitschaftsdienst um weitere 10 Prozentpunkte.

Freizeitausgleich, um die Vergütung des Bereitschaftsdienstes zu ersetzen, kann einseitig durch den Krankenhausträger nur zum Zwecke der Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeit für diesen Dienst gewährt werden und bedarf der Herstellung des Einvernehmens mit der Ärztin/dem Arzt (§ 12 Abs. 6 TV-Ärzte VKA).

Wochenenddienste

Bei Anordnung von Bereitschafts- oder Rufbereitschaftsdienst hat die Ärztin/der Arzt an mindestens 2 Wochenenden, also Freitag ab 21:00 Uhr bis Montag 05:00 Uhr, pro Monat im Durchschnitt innerhalb eines Kalenderhalbjahrs keine Arbeitsleistung, also weder Regelarbeitszeit noch Bereitschafts-/Rufbereitschaftsdienst, zu leisten (§ 10 Abs. 12 TV-Ärzte/VKA). Auch hier sind darüber hinausgehende Dienste (nur) zu leisten, wenn anderenfalls eine Gefährdung der Patientensicherheit droht.

Nicht gewährte freie Wochenenden müssen auf Antrag innerhalb des nächsten Kalenderhalbjahrs zusätzlich nachgeholt werden, jede weitere Übertragung auf das darauf folgende Kalenderhalbjahr ist nicht möglich.

Freiwillig dürfen mehr Dienste geleistet werden

Ärztinnen und Ärzte können zu mehr als 4 Bereitschaftsdiensten monatlich oder zu mehr als 2 Wochenenddiensten monatlich jeweils im Durchschnitt eines Kalenderhalbjahrs nur verpflichtet werden, wenn anderenfalls eine Gefährdung der Patientensicherheit droht. Unbenommen müsste es Ärztinnen und Ärzten allerdings sein, freiwillig an mehr als den tarifvertraglich festgeschriebenen Diensten teilzunehmen. Schließlich handelt es sich bei dem Tarifvertrag ‒ anders als beim Arbeitszeitgesetz ‒ nicht um eine entsprechende Schutzregelung, deren Obergrenze nicht ‒ auch nicht mit Zustimmung der Ärztin/des Arztes ‒ überschritten werden darf.

Opt-out

Die durchschnittliche Höchstarbeitszeit bei individuell vereinbarter Verlängerung der Wochenarbeitszeit ist von 58 Stunden wöchentlich auf höchstens 56 Wochenstunden im Durchschnitt eines 6-Monatszeitraums abgesenkt worden.

„Sandwich“-Dienst

Mit der Begrenzung der Arbeitszeit auf max. 24 Stunden täglich bei überwiegendem Bereitschaftsdienst gestaltete sich die Dienstübergabe am jeweiligen Morgen als problematisch. Es fehlten die 30 bis 60 Minuten Überschneidung der Arbeitszeiten der ihren Dienst beendenden mit den ihren Dienst beginnenden Ärztinnen und Ärzten. Zudem handelte es sich auch nicht um eine Tätigkeit im Bereitschaftsdienst, sondern um vorhersehbar geplante Arbeitszeit.

 

 Nunmehr ist Arbeitszeit im Anschluss an einen Bereitschaftsdienst bis zu 60 Minuten ‒ etwa zum Zwecke der Übergabe ‒ zulässig, wenn sich die dem Bereitschaftsdienst vorangegangene Arbeitszeit entsprechend verkürzt (§ 10 Abs. 3 TV-Ärzte/VKA).

 

Fazit: Sicherlich sind die Änderungen zur Reduzierung der Dienstbelastungen aus Sicht der einzelnen Ärztin bzw. des einzelnen Arztes nachvollziehbar und zu begrüßen, solange freiwillig Dienste möglich sind und bleiben. Dadurch kann den unterschiedlichen Interessen der Ärztinnen und Ärzte in unterschiedlichen Lebensphasen Rechnung getragen und auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden. Auf der anderen Seite geht die Beschränkung der Anzahl der monatlichen Dienste je Ärztin/Arzt zulasten vor allem der kleineren Krankenhäuser, die eine Sicherstellung der Patientenversorgung dann nicht mehr rund-um-die-Uhr oder nur zur erhöhten Vergütung werden gewährleisten können.

von RA, FA Arbeits- und Medizinrecht Marc Rumpenhorst, Kanzlei Klostermann pp., Bochum