KBV VS. EBA – Ein stabiles Gesundheitswesen zum Nulltarif?
Nach einer langen Verhandlung um den Orientierungswert für das Jahr 2021 ist eine umstrittene Entscheidung gefallen. Um 1,25 Prozent wird das Honorar aller ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen erhöht, somit wird der Orientierungswert von 10,9871 Cent auf 11,1244 Cent angehoben. Auf das Jahr 2021 hochgerechnet entspricht das ca. 500 Millionen Euro mehr als im Vorjahr, um die Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten zu gewährleisten.
Während der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBA) zu Beginn der Verhandlungen einen Nulltarif forderte, lagen die Erwartungen seitens der KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) bei einer Erhöhung von 3 Prozent. Für den EBA und die GKV (Gesetzliche Krankenversicherung) scheinen die 1,25 Prozent ein akzeptabler Kompromiss zu sein, doch die KBV und auch der NAV-Virchow-Bund protestieren klar gegen diese Entscheidung.
Warum sind 1,25 Prozent zu wenig?
Der Orientierungswert wird jedes Jahr auf die Betriebs- und Investitionskosten der Praxen angepasst. Mit Blick auf ein Jahr, was ganz besonders die niedergelassenen Ärzte an ihre Grenzen trieb, wurde nach dem ausdrücklichen Lob des GKV-Spitzenverbands auf mehr Rückhalt im kommenden Jahr gesetzt. Vertragsärzte waren in der Pandemie einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt, sechs von sieben COVID-19-Patienten wurden ambulant behandelt. Dr. Andreas Gassen, Vorstandssitzender der KBV äußert sich dazu mit den Worten „Das ist eine grobe Missachtung der Leistungen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen“, und auch der stellvertretende Vorsitzende der KBV zeigt sich schwer enttäuscht. Sie kritisieren, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst und die Krankenhäuser Milliardensummen in diesem Jahr erhielten und jetzt offenbar kein Geld mehr für die Vertragsärzte übrig sei.
Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes äußert ebenfalls klare Worte und lehnt sich gegen den neuen Wert auf. Er geht in seiner Aussage noch weiter und spricht davon,
dass „Die Kassen versuchen, die Kosten für die unsinnigen, politisch gewollten millionenfachen Massentests am falschen Ende wieder einzusparen.“ Er bezeichnet die Tatsache, dass bei der Entscheidung nicht einmal der Mittelwert gewählt wurde, als „fahrlässig, rückgratlos und gefährlich“.
Die Gefahr für die Praxen besteht darin, dass sie sich im kommenden Jahr wohlmöglich einiges nicht mehr leisten können werden. Medizinische Fachangestellte werden nicht den Lohn erhalten, der Ihnen zusteht und auch die Anschaffung neuer Geräte und neuen Personals wird zu einer finanziellen Herausforderung, äußert sich Dr. Heinrich. In seinen Augen schaden die Kassen damit ganz wissentlich ihren Versicherten.
GKV und EBA stehen hinter ihrer Entscheidung
Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GK-Spitzenverband, bezeichnet den Wert der Honorarerhöhung als „ausgewogene Entscheidung“ zwischen Vertragsärzten und Beitragszahlern. Sie weist außerdem darauf hin, dass die GKV in der aktuell schwierigen Zeit auch die niedergelassenen Ärzte mit Schutzschirmen unterstützt und so die Versorgung sichergestellt habe. Die GKV habe ebenso mit finanziellen Einbußen zu kämpfen und legitimiert damit eine Erhöhung um 1,25 Prozent. Außerdem erhöht sich die vertragsärztliche Vergütung nicht nur durch den Orientierungswert, sondern auch der Mengenanstieg extrabudgetärer Leistungen, die Einführung neuer Leistungen und die Morbiditätsveränderungen der Versicherten erhöhen das Honorar der niedergelassenen Ärzte auf über eine Milliarde Euro.
Versorgungslücke der GKV von 16 Milliarden Euro – nur durch COVID-19?
In den Kreisen der niedergelassenen Ärzte besteht trotz dieser Erklärung von vielen Seiten große Aufruhr. Die von der GKV genannten Gründe für die fehlenden finanziellen Mittel, welche alle im Zusammenhang mit der andauernden Pandemie stehen, werden aktuell angezweifelt.
Das Bundesfinanzministerium sieht beispielsweise einen Zusammenhang mit der Politik des Gesundheitsministers Jens Spahn, welcher in den letzten Jahren viele kostspielige Pläne umgesetzt hat. Darunter ist die Verkürzung der Wartezeiten durch den Ausbau von Servicestellen zur Vergabe von Terminen, sowie die Anhebung der Mindestsprechstundenzeiten von 20 auf 25 Stunden pro Woche im Jahr 2018. Augenärzte, aber auch Gynäkologen, Kinder- und Hausärzte müssen nun mindestens fünf offene Sprechstunden ohne vorherige Terminvereinbarung pro Woche leisten.
Das kostete die Kassen zwischen 500 und 600 Millionen Euro.
Nun werden trotz der Aufstände die Verhandlungen zwischen den regionalen Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen beginnen, da die Verteilung des Geldes auf Landesebene entschieden wird.
Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Carla Stella Hermel - EYEFOX Redaktion