Agenda 2021: Das steht an bei der Digitalisierung

Was erwartet die Praxen in diesem Jahr bei der Digitalisierung? Antworten darauf hat der Vorstand der KBV am Dienstag in einer Online-Pressekonferenz gegeben. Fazit: Es ist endlich Zeit für Digitalisierung mit echtem Mehrwert für die Praxen und ein Ende der Sanktionen.

©Shahadat Rahman Unsplash
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Ein Paradebeispiel dafür, dass vieles von dem, was in diversen Gesetzen beschrieben ist, weit entfernt sei von einer gelebten Realität, sei die elektronische Patientenakte (ePA), kritisierte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender, vor Journalisten. Ärzte und Psychotherapeuten seien verpflichtet, ab 1. Juli die ePA ihrer Patienten zu befüllen, anderenfalls drohten Sanktionen. Die ersten dafür notwendigen von der gematik zugelassenen Konnektor-Updates stünden aber erst frühestens Ende des zweiten Quartals bereit.

„Die Verfügbarkeit der technischen Komponenten und Dienste hinkt den gesetzlich vorgegebenen Fristen für die Umsetzung der TI-Anwendungen in den Praxen fast schon regelhaft hinterher“, monierte Hofmeister. Dennoch sehe der Gesetzgeber weiterhin Sanktionen für Praxen vor.

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen stellte klar: „Es macht keinen Sinn, Praxen zu bestrafen, wenn die Industrie notwendige Updates nicht rechtzeitig liefern kann.“ Er forderte die Politik zu einem Kurswechsel auf: „Senden Sie mit dem mutmaßlich letzten Digitalisierungsgesetz in dieser Legislaturperiode ein positives Signal an die Ärzteschaft und stellen Sie die Ampel für Digitalisierung durch konsequentes Streichen der Sanktionsmechanismen auf Grün.“

Holprige Piste statt Autobahn

Trotz aller Hemmnisse seien Praxen der Digitalisierung gegenüber zunehmend aufgeschlossen, betonte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel. Die Digitalisierung müsse „gut gemacht sein und die Praxen unterstützen, statt zusätzliche Arbeit zu schaffen“. Kriedel: „Praxen akzeptieren nicht, dass alle negativen Begleiterscheinungen der Digitalisierungsprozesse wie Kosten für Anpassungen der Praxis-Systeme an ihnen hängenbleiben sollen.“

Es gehe nicht darum die Digitalisierung kleinzureden, sie sei ein „wertvolles Instrument“, stellte Hofmeister klar. Die nahezu einzigen Profiteure seien bislang allerdings die Krankenkassen und die Industrie. Für die Praxen stelle sich Digitalisierung leider immer noch nicht als neue tolle Autobahn dar, sondern „als holprige Piste, auf der es immer neue Hindernisse zu umfahren gilt“ und dann auch noch permanent Bußgelder kassiert würden.

Austausch medizinischer Informationen

Hoffnung setzt die KBV in die KIM-Dienste, die den sektorenübergreifenden Austausch im Gesundheitswesen erleichtern sollen. Mit kv.dox bietet auch die KBV einen eigenen Kommunikationsdienst für Ärzte und Psychotherapeuten an. Die innerärztliche Kommunikation müsse der wesentliche Kern der Digitalisierung sein, sagte Gassen. Denn gute und effiziente Kommunikation sei kein Selbstzweck, sondern helfe den behandelten Patientinnen und Patienten.

Um einen reibungslosen und medienbruchfreien Austausch medizinischer Informationen zu gewährleisten, definiert die KBV medizinische Informationsobjekte – kurz MIOs. Damit legt sie Standards fest, wie medizinische Daten strukturiert dokumentiert werden. Die KBV liege hier sehr gut im Zeitplan, sagte Gassen: Es seien bereits vier MIOs definiert worden – Impfpass, zahnärztliches Bonusheft, Mutterpass und U-Heft.

eAU: Doppelte Strukturen vermeiden

Mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) soll 2021 ein weiteres großes Digitalisierungsprojekt starten – allerdings zunächst als „wenig sinnvolle Hybridlösung“, bei der weiterhin Exemplare ausgedruckt werden, wie Kriedel sagte. Von der eAU hätten Praxen erst einmal nichts. Ihnen beschere sie zusätzlichen Aufwand durch ein Nebeneinander von elektronisch und analog.

Hinzu komme, dass auch der bereits auf den 1. Oktober verschobene Starttermin für die Praxen fraglich sei. Ein Grund ist Kriedel zufolge, dass das für die eAU erforderliche Software-Update in den Praxisverwaltungssystemen nicht rechtzeitig bereitstehen könnte.

IT-Sicherheitsrichtlinie

Auf dem Digitalisierungsfahrplan für 2021 steht auch die erste Stufe der IT-Sicherheitsrichtlinie: Praxen sollen erste Schritte – zum Beispiel den Einsatz aktueller Virenschutzprogramme oder die Dokumentation des internen Netzes anhand eines Netzplanes – bis 1. April realisieren.

„Uns ist ein ausgewogener Kompromiss zwischen Sicherheitsniveau und Aufwand für Praxen gelungen – mit gestuften Einführungsfristen und einer Staffelung nach Praxisgröße“, erläuterte Kriedel. Ergänzend zur Richtlinie stelle die KBV multimediale Informationen und Hilfestellungen wie Musterdokumente bereit. Außerdem gebe es eine Online-Fortbildung, die in Kürze im KBV-Fortbildungsportal im Sicheren Netz bereitsteht. 

Überblick zur Digitalisierung 2021: Geplante Starttermine in den Praxen

1. April: IT-Sicherheitsrichtlinie

IT-Systeme und sensible Daten in den Praxen noch besser schützen: Das ist eines der Ziele der IT-Sicherheitsrichtlinie. So sollen klare Vorgaben dabei helfen, Patientendaten noch sicherer zu verwalten und Risiken wie Datenverlust oder Betriebsausfall zu minimieren. Erste Schritte – zum Beispiel den Einsatz aktueller Virenschutzprogramme oder in puncto Netzwerksicherheit die Dokumentation des internen Netzes anhand eines Netzplanes – sollen Praxen bis 1. April 2021 realisieren. Weitere Anforderungen folgen 2022. 

1. Juli: Elektronische Patientenakte

Die elektronische Patientenakte (ePA) soll das zentrale Element der digitalen Gesundheitsversorgung werden. Seit Januar 2021 müssen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten eine solche ePA anbieten. Ab Juli 2021 haben Patientinnen und Patienten Anspruch darauf, dass ihre Ärztin oder ihr Arzt ihre ePA mit medizinischen Informationen aus dem aktuellen Behandlungskontext befüllt. 

1. Oktober: Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Voraussichtlich ab Oktober sollen Ärztinnen und Ärzte die AU elektronisch übermitteln. In einem ersten Schritt betrifft die elektronische Umsetzung nur den Versand an die Krankenkassen. Ab 2022 soll auch die Weiterleitung der Daten an den Arbeitgeber nur noch digital erfolgen.

Quelle: KBV