Universitätsaugenklinik Erlangen: Weltweit erster Heilversuch eines Patienten mit Long-COVID-Syndrom erfolgreich durchgeführt
Dank eines Medikaments gegen Autoantikörper ist es einem Team der Universitätsaugenklinik Erlangen im Rahmen eines individuellen Heilversuchs erstmals gelungen, dass ein 59-jähriger Mann mit Long-COVID-Syndrom beschwerdefrei wurde. Ob der Wirkstoff BC 007 auch anderen Betroffenen hilft, soll bald in einer klinischen Studie überprüft werden.
Die Ärztinnen und Ärzte der Augenklinik sowie der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie und der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie des Uni-Klinikums Erlangen hatten im Vorfeld herausgefunden: Wer eine COVID-19-Infektion hinter sich hat, bei dem ist die Durchblutung der Augen auch viele Monate später noch deutlich eingeschränkt.
Im Blut von ehemaligen COVID-19-Patienten fand das Ärzteteam noch Monate nach der Infektion bestimmte Eiweißstoffe, mit denen sie sich im Zusammenhang mit der Glaukom-Erkrankung bereits seit vielen Jahren beschäftigen: Autoantikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Bildet der Körper vermehrt Autoantikörper, greifen diese möglicherweise unterschiedliche Körperstrukturen an. Das interdisziplinäre ärztliche und wissenschaftliche Team fand bei den Blutuntersuchungen heraus, dass Patienten nach einer Corona-Infektion mehrere dieser Eiweißstoffe aufweisen. „Wir kennen einen dieser Autoantikörper bereits von der Glaukom-Erkrankung und wissen von seiner schlechten Wirkung auf die Augendurchblutung“, erläutert Dr. Hohberger, Fachärztin der Erlanger Augenklinik.
Die Ophthalmologin hatte von einem Präparat erfahren, das diese schädlichen Autoantikörper bindet. Damit wäre es möglich, die Autoantikörper unschädlich zu machen und möglicherweise die Durchblutungsstörungen zu verbessern. Das Medikament wurde vor einigen Jahren speziell für Patienten mit einer schweren Herzerkrankung in eine Zulassungsstudie gebracht. „Ursprünglich wollte ich damit meinen Glaukom-Patienten helfen“, so Dr. Hohberger. „Als wir dann die Ergebnisse sahen, die aus Kooperationsprojekten zu Long COVID entstanden sind, waren es wie viele kleine Puzzlestücke, die für uns zusammenpassten. Es war durchaus denkbar, dass sich auch die Long-COVID-Symptomatik dadurch bessern könnte.“
Durchblutung deutlich verbessert
Als ein langjähriger, an Glaukom erkrankter Patient des Erlanger Glaukomregisters von seinen Beschwerden nach überstandener Corona-Infektion berichtete bot ihm das Team der Augenklinik Hilfe an. Im Rahmen eines individuellen Heilversuchs erhielt der 59-Jährige das Präparat BC 007 per Infusion und blieb drei Tage stationär am Uni-Klinikum Erlangen. „Bereits innerhalb weniger Stunden zeigte sich eine Besserung. Bei seiner Entlassung fühlte sich unser Patient schon deutlich erholter als vor der Verabreichung und seine Autoantikörperwerte bestätigten diesen Eindruck“, schildert das Ärzteteam den Verlauf. Auch die Konzentrationsschwierigkeiten verschwanden, die Leistungsfähigkeit des 59-Jährigen stieg wieder an und der Geschmackssinn kehrte zurück. „Insgesamt hat sich die Durchblutung der Kapillaren, die wir am Auge messen können, deutlich verbessert.“
Die Durchblutung der Netzhaut eines Patienten nach Corona-Infektion (links) ist im Vergleich zu der eines Gesunden (rechts) verringert. Foto: Augenklinik/Uni-Klinikum Erlangen |
Das Team der Erlanger Augenklinik geht deshalb davon aus, dass die Long-COVID-Beschwerden des Patienten dank der verbesserten Durchblutung verschwunden sind. Für den Ansatz, diese Autoantikörper mit einem Medikament bei Patienten mit Glaukom unschädlich zu machen, wurde Dr. Hohberger 2020 für den Galenus-von-Pergamon-Preis in der Kategorie Grundlagenforschung nominiert.
Quelle: Universitätsklinikum Erlangen