Durchbruch bei der Erforschung der altersbedingten Makuladegeneration
Eine internationale Studie weist nach, dass die AMD erblich bedingt ist. Sie zeigt Optionen auf, Patienten zu identifizieren, die dieses genetische Risiko in sich tragen, und zu selektieren, welche dieser Patienten voraussichtlich auf komplementmodifizierende Therapeutika ansprechen. Diese Medikamente sind aktuell in der Entwicklung und haben zum Ziel, den Spiegel der FHR-Proteine im Blut zu senken und damit das Risiko oder ein Fortschreiten der Erblindung aufzuhalten.
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Entzündungen am Augenhintergrund eine Rolle bei der Entstehung von AMD spielen. Studien haben eine Reihe von Genen identifiziert, die die Aktivität des Komplementwegs regulieren - ein Schlüsselakteur in unserer Immunabwehr gegen Krankheitserreger - und die das Risiko einer Person für die Entwicklung der Krankheit beeinflussen. Diese Daten lassen vermuten, dass AMD zumindest teilweise durch ein Versagen der Komplementregulation im Auge verursacht wird. Doch die Rolle dieser Gene - Complement Faktor H (CFH) und Faktor H-Related 1 bis 5 (FHR1-5) – war bisher unklar.
Jetzt haben Forschende in Tübingen, Manchester und London neue Methoden entwickelt, um die Proteinprodukte dieser Gene mit Hilfe der sogenannten Massenspektrometrie zu messen. Ihre Zusammenarbeit wurde vom britischen Medical Research Council (MRC) gefördert.
Bei der Untersuchung des Spiegels von CFH und FHR1-5 im Blut konnte das internationale Forschungsteam erstmals zeigen, dass alle fünf FHR-Proteine bei Menschen mit AMD in höherer Konzentration vorhanden sind als bei Menschen ohne AMD. Anstoß für ihre Untersuchung waren die von Wissenschaftlern um Professor Simon Clark im letzten Jahr veröffentlichten Forschungsergebnisse in Nature Communications (2020). Clark konnte darin zeigen, dass die Konzentration von FHR4 im Blut von Personen mit AMD höher ist. Tatsächlich sind es FHR1 und FHR2, die den höchsten Anstieg haben.
Das Wissenschaftsteam erforschte außerdem die Gene, die diese Proteine kodieren. Die Untersuchung bestätige, dass genau diese Gene das Risiko an AMD zu erkranken, regeln. Das spricht wiederum dafür, dass die Erhöhungen der Blutproteine durch das genetische Risiko beeinflusst wird, das die Aktivität des Komplementwegs regelt und die AMD-Entwicklung vorantreibt.
Ein zweites Forschungsteam unter der Leitung von Professorin Anneke de Hollander an der Radboud University in Nijmegen, Niederlande, hatte gleichzeitig ein ganz ähnliches Forschungsvorhaben und kam zu nahezu identischen Ergebnissen. Beide Studien wurden jetzt im American Journal of Human Genetics veröffentlicht.
Professor Dr. rer. nat. Simon Clark, Helmut-Ecker-Stiftungsprofessor für AMD an der Medizinischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, der die Arbeit mitbetreut hat, sagte: "Dies ist ein wegweisender Schritt in unserem Verständnis der treibenden Mechanismen hinter bestimmten Arten von AMD. Er folgt auf unsere ursprüngliche Entdeckung von FHR-4 im letzten Jahr. Obwohl jetzt bekannt ist, dass alle FHR-Proteine mit dem Krankheitsrisiko assoziiert sind, ist es unwahrscheinlich, dass dies bei allen AMD-Patienten der Fall ist. Daher wird die Möglichkeit, diese Proteine im Blut der Patienten zu messen, von entscheidender Bedeutung sein, um Patienten zu identifizieren, die irgendwann in der Zukunft auf FHR-gerichtete Therapien reagieren werden.“
Dr. Richard Unwin, der die Studie an der University of Manchester, UK, leitet, ergänzt: "Dies ist eine enorm wichtige Studie für Menschen mit AMD. Die Messung der Spiegel dieser FHR-Proteine war in den letzten Jahren eine große Herausforderung. Sie ist technisch sehr anspruchsvoll, da die Proteine in geringen Mengen im Blut vorhanden und sich sehr ähnlich sind. Durch den Einsatz modernster Massenspektrometrie-Methoden können wir diese Proteine nun sicher messen und zum ersten Mal zeigen, was ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Faktor bei der Entstehung der AMD ist. Dies hat die Forschung wirklich vorangebracht und eröffnet ganz neue Bereiche für die Verbesserung der Patientenversorgung: Mit der Entwicklung neuer Behandlungen, die auf diese Proteine abzielen, oder durch die einfache Überwachung der Werte, um herauszufinden, wer ein höheres Maß an Komplementaktivierung hat und als solcher von komplementmodifizierenden Behandlungen profitieren wird."
Quelle: Universitätsklinikum Tübingen
Originalpublikation: Beyond factor H: The impact of genetic-risk variants for age-relate macular degeneration on circulating factor-H-like 1 and factor-H-related protein concentrations