Digitale Patientenveranstaltung zum Thema AMD
„Mit dieser Veranstaltung bieten wir einen weiteren Service und Zugang zu den vielfältigen Informationen rund um die Erkrankung und den Alltag mit Seheinschränkungen an. Wichtig sind uns kurze, gut verständliche Vorträge von Experten zu medizinischen, alltagsrelevanten sowie sozialen Aspekten und die Möglichkeit, Fragen zu stellen.“
Münster/Bonn, 26. Juli 2021.
Altersabhängige Makuladegeneration (AMD) betrifft in Deutschland etwa sieben Millionen Menschen. Die Erkrankung kann mit erheblichen Seheinschränkungen im zentralen Gesichtsfeld verlaufen und tritt meist ab einem Lebensalter von 50 Jahren auf. Referierende des AMD-Netz e.V. sowie des PRO RETINA Deutschland e.V. berichteten dazu über die Perspektiven aus Praxis, Forschung und Beratung. Dieser ersten Informationsveranstaltung in diesem Online-Format folgten am 16. Juli 2021 etwa 130 Teilnehmende, mehrheitlich Patienten und Angehörige sowie auch Fachleute aus dem Bereich Beratung und Reha. Ursula Witt vom AMD-Netz begründet das Engagement: „Mit dieser Veranstaltung bieten wir einen weiteren Service und Zugang zu den vielfältigen Informationen rund um die Erkrankung und den Alltag mit Seheinschränkungen an. Wichtig sind uns kurze, gut verständliche Vorträge von Experten zu medizinischen, alltagsrelevanten sowie sozialen Aspekten und die Möglichkeit, Fragen zu stellen.“
Drei Experten eröffneten diese erste Veranstaltung: PD Dr. Klaus Dieter Lemmen gab einleitend einen aktuellen Überblick zur Erkrankung AMD und deren Erscheinungsformen. Dr. Lemmen hat während seiner Laufbahn in Augenkliniken in Koblenz, Köln und Düsseldorf (hier als Chefarzt am St. Martinus-Krankenhaus) gearbeitet und ist seit 2014 niedergelassen in einer Augenarztpraxis in Düsseldorf. Von 2010-2014 und von 2018-2020 war er im FOCUS als TOP-Augenarzt gelistet. Zudem ist er erster Vorsitzender des AMD-Netzes. In seinem Vortrag erläuterte er, dass Alter, genetische Faktoren, Rauchen sowie Herz-Kreislauferkrankungen die Entstehung einer AMD begünstigen. Sie entsteht im hinteren Augenabschnitt im Bereich der Stelle des schärfsten Sehens, der sogenannten Makula. „Drusen“ werden die Ablagerungen genannt, die dort als Ansammlungen von Stoffwechsel–produkten die verschiedenen Entwicklungsstufen und Formen als „trockene“ oder „feuchte AMD“ mit entsprechenden klinischen Erscheinungen hervorrufen. Neben der Erläuterung der Untersuchungen beim Augenarzt erklärte Lemmen, Vorbeugen sei auch hier die beste Medizin. Nicht rauchen, körperliche Aktivität, eine optimale Behandlung von vorliegenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine gesunde, „mediterrane“ Ernährung seien das A und O. In bestimmten Fällen könnten spezifische Nahrungsergänzungsmittel eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Patienten sollten regelmäßig Selbsttests mit dem Amsler-Gitter durchführen und bei Anzeichen von Verschlechterungen sofort ihren Augenarzt aufsuchen.
Prof. Dr. Daniel Pauleihoff ist leitender Arzt des Augenzentrums am St. Franziskus Hospital Münster und außerplanmäßiger Professor der Medizinischen Fakultät der Universität Essen-Duisburg. 2001 war er als Visiting Professor am Moorfields Eye Hospital sowie am Institute of Ophthalmology in London tätig und hat dort seit Juni 2010 zusätzlich eine Gastprofessur inne. Seit 2014 ist er im FOCUS unter den Top-Ärzten der Augenheilkunde gelistet. Prof. Pauleikhoff stellte neue Forschungsansätze und Ergebnisse der Behandlung der trockenen und feuchten AMD vor. In seinem Kurzvortrag erläuterte er Ursachen und darauf aufbauend Therapiemöglichkeiten. Bei der feuchten späten AMD sei heute die „Spritzentherapie“ in das betroffene Auge mit Anti-VEGF-Hemmern (IVOM-Therapie), Eiweißen mit abblockender Wirkung, der Therapieansatz der Wahl. Die Therapie mit dem Ziel der Reduktion der schädigenden Flüssigkeit in der Netzhaut müsse langfristig erfolgen und erfordere regelmäßige Kontrollen, die der Augenarzt mit einem bildgebenden Verfahren, dem OCT, begleite. Ein wichtiges Ziel sei die Therapietreue der Patienten. In der Praxis kommt es leider häufig zu Unterbrechungen oder Abbrüchen dieser IVOM-Therapie. „Hier müssen regelmäßige Kontrollen erfolgen, Information und Aufklärung greifen“, so Pauleikhoff und lobte an dieser Stelle die Arbeit von Selbsthilfeorganisationen und dem AMD-Netz. Es würden nun auch für diese Therapie Präparate mit längerer Wirksamkeit entwickelt und getestet, Implantate, die eine kontinuierliche Medikamentengabe ermöglichen, seien in der Entwicklung und auch neue Präparate mit zwei Wirkstoffen befänden sich im Zulassungsverfahren. Eine konsequente Therapie der feuchten AMD führe nahezu immer zu einer Stabilisierung der Sehkraft. Für die trockene AMD gebe es derzeit „nur“ das Ziel, die Verschlechterung zu verlangsamen, aber auch hier würden derzeit Studien mit neuen Medikamenten durchgeführt; erste Ergebnisse dazu würden 2022 erwartet. Prof. Pauleikhoff erläuterte auch auf Nachfrage, dass alle Augenärzte in Deutschland über Kongresse, Fachgesellschaften und Fortbildungen auf dem aktuellsten Stand der Forschung und Entwicklung zum Wohle ihrer Patienten seien.
Heike Ferber ist seit 2012 Makulaberaterin und seit 2014 Leiterin des Arbeitskreises Makula der PRO RETINA Deutschland. Sie organisiert AMD-Aktionswochen und führt Patientenseminare durch. Sie ist selbst von einer Makulaerkrankung betroffen. Heike Ferber beschrieb wichtige Aspekte für den Alltag mit AMD anhand von Kernfragen aus der Sicht ihrer Beratertätigkeit: „Wie ist der Verlauf und wie werde ich irgendwann sehen? Was kann ich tun, um weiterhin selbstbestimmt leben zu können? Was passiert, wenn ich irgendwann nicht mehr lesen kann? Wo bekomme ich Unterstützung und wer kann mir helfen, mit AMD zu leben?“. Der Verlauf sei bei jedem Patienten individuell und somit auch nicht vorhersehbar. „Die Sehfähigkeit nimmt ab, das scharfe Sehen lässt nach, gerade Linien erscheinen gebogen“, so die Beraterin. Betroffene beschrieben ihre Eindrücke unterschiedlich. So habe eine Patientin ihre Einschränkung als sogenannte „durchsichtige Ufos“ geschildert, bei der die Strukturen im Hintergrund noch erkennbar seien. Andere Betroffene beschreiben ihre Einschränkungen als mehr oder auch weniger dunkle Flecke. Eine zentrale Herausforderung im Alltag stelle die eingeschränkte Lesefähigkeit dar. „Wenn Sie beispielsweise nur noch den Namen Ihrer Tageszeitung ohne Hilfsmittel lesen können, entspricht das einem Visuswert von etwa 0,1. Vermeiden Sie nichts, probieren Sie im Alltag Hilfsmittel und Tipps und Tricks aus“, rät Ferber. Ein dicker oder kräftiger Filzstift und festes Papier für Notizen, Hilfsmittel z. B. für die Küche oder zum Geldzählen und ganz wichtig eine gute Beleuchtung, die nicht teuer sein muss, sind einige Tipps. „Nehmen Sie Kontakt zu einem qualifizierten Low-Vision-Optiker auf, probieren Sie für Sie geeignete Hilfsmittel aus, nutzen Sie Blindenhörbüchereien, tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus“ , so die Expertin.
Medizinische und soziale Versorgung sollte im Sinne von Betroffenen Hand in Hand gehen, so der Wunsch für eine optimale Versorgung von Betroffenen. Im Anschluss an die Vorträge konnten Teilnehmende den Experten live oder im Chat ihre Fragen stellen. „Dies wurde ausgiebig genutzt“, so Ursula Witt. „Im Zentrum des Interesses standen hierbei Fragen, inwieweit eine AMD und andere Erkrankungen sich beeinflussen oder bedingen und zu alternativen Behandlungsansätzen. Im Bereich ‚Alltagsbewältigung‘ gibt es viele Informations- und Hilfsangebote. PRO RETINA sowie das AMD-Netz können Betroffenen und Angehörigen hier weiterhelfen und auch qualifizierte Augenoptiker und Ansprechpartner in Wohnortnähe nennen.