Pseudoexfoliationssyndrom: neues Risikogen entdeckt
Ein Team von Wissenschaftlern des Genome Institute of Singapor (GIS) der Agency for Science, Technology and Research (A*Star), des Singapore Eye Research Institute (SERI) und der Augenklinik der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) identifizierte mehrere seltene Mutationen im CYP39A1 Gen, das eine starke Assoziation mit Pseudoexfoliationssyndrom aufweist. Die Wissenschaftler publizierten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Journal of the American Medical Association.
Das Pseudoexfoliationssyndrom ist eine der häufigsten Ursachen für ein Offenwinkelglaukom mit hohem Erblindungsrisiko weltweit. In Deutschland sind etwa 10% der älteren Bevölkerung über 60 Jahre betroffen. Es handelt sich um eine systemische fibrotische Erkrankung, in deren Verlauf es zu abnormalen Ablagerungen in Geweben des vorderen Augenabschnitts und verschiedenen Organen kommt. Die genauen molekularen Ursachen des Krankheitsbilds sind nach wie vor nicht geklärt.
Um Krankheitsursachen zu entschlüsseln, sequenzierte das Team um Professor Chiea Chuen Khor, Singapur, alle proteinkodierende Gene („whole exome sequencing“) aus Blutproben von über 20.000 Studienteilnehmern mit und ohne Pseudoexfoliationssyndrom aus 14 Ländern. Die Wissenschaftler konnten ein bislang unbekanntes Gen, CYP39A1, identifizieren, das, wenn es mutiert ist, mit einem erhöhten Risiko für Pseudoexfoliationssyndrom assoziiert ist. Begleitende Laborexperimente der Forscher haben ergeben, dass der Großteil der von ihnen identifizierten, seltenen Mutationen die Funktion des kodierten Proteins beeinträchtigen.
Das CYP39A1 Gen enthält die Information für ein Enzym, das eine wichtige Rolle im Cholesterin-Stoffwechsel einnimmt. Cholesterin ist ein zentraler Baustein aller Zellen und ist ein wichtiger Ausgangsstoff für die Produktion von Gallensäuren zur Fettverdauung sowie für die Bildung von Vitamin D und bestimmten Hormonen. Weiterführende Untersuchungen des Teams um Professorin Ursula Schlötzer-Schrehardt, Erlangen, und Mitautorin der Studie, konnten zeigen, dass das Enzym CYP39A1 vor allem in der Leber, aber auch in Augengeweben exprimiert wird.
Bei Patienten mit Pseudoexfoliationssyndrom war die Expression des Enzyms um die Hälfte vermindert, bei Patienten mit dem Gendefekt war sie kaum mehr nachweisbar. Stattdessen reicherte sich überschüssiges Cholesterin in den abnormalen Ablagerungen des vorderen Augenabschnitts an. „Unsere Ergebnisse deuten auf eine wichtige Rolle eines abnormalen Cholesterinstoffwechsels bei der Entstehung des Pseudoexfoliationssyndroms hin“, erläutert Ursula Schlötzer-Schrehardt.
Mit der Entdeckung von seltenen Mutationen im CYP39A1 Gen und ihrer molekularen Folgen haben die Forscher das Spektrum der genetischen Ursachen für das Pseudoexfoliationssyndrom erweitert und einen wertvollen Beitrag zum weiteren Verständnis der Erkrankung geleistet. Die Wissenschaftler hoffen, mit der Entdeckung eines neuen Stoffwechselwegs einen zukünftigen Ansatzpunkt für neue Therapieansätze gefunden zu haben.