Wechseljahre: Zwei Drittel der Frauen leiden unter Trockenem Auge
Die Wechseljahre wirken sich nicht nur auf Fruchtbarkeit, Stoffwechsel, Schlaf und Psyche aus. Auch die Augen sind häufig betroffen.
In den Wechseljahren verändert sich das Gleichgewicht der Hormone im weiblichen Körper – mit bekannten Folgen für die Fruchtbarkeit, den Stoffwechsel, den Schlaf und die Psyche. Weniger bekannt ist, dass auch die Augen auf die hormonellen Veränderungen reagieren: Nahezu zwei Drittel aller Frauen haben in und nach den Wechseljahren mit Trockenem Auge zu kämpfen, wie eine aktuelle Studie mit fast 2.000 Teilnehmerinnen aus Spanien zeigt (1).
Das Trockene Auge ist nicht nur unangenehm, in ausgeprägter Form kann es auch die Sehschärfe und Lebensqualität deutlich beeinträchtigen (2,3). Für die Entstehung oder Verschlechterung eines Trockenen Auges in den Wechseljahren ist vor allem ein Rückgang der Androgene bedeutsam.
„Der fehlende Androgeneinfluss lässt die so genannten Meibomdrüsen, modifizierte Talgdrüsen im Lidrand, die den fettigen Anteil des Tränenfilms produzieren, weniger aktiv werden“, erläutert Professor Dr. med. Elisabeth M. Messmer von der Augenklinik der LMU München. In der Folge verdunstet der Tränenfilm schneller, was die Symptome des Trockenen Auges und eine schwankende Sehschärfe bei der Computerarbeit, beim Lesen oder Autofahren verursacht. „Da die Androgene auch für die Produktion des wässrigen Tränenfilms aus der Haupttränendrüse und den kleinen Drüsen in der Bindehaut mitverantwortlich sind, droht mit sinkendem Androgenspiegel zugleich ein Tränenmangel“, so Messmer. Dieses Defizit kann zur Entzündung der Augenoberfläche und zur Schädigung der Hornhaut führen, was die Sehkraft weiter beeinträchtigt. „So entsteht ein regelrechter Teufelskreis“, betont die Expertin der Deutsche Ophthalmologischen Gesellschaft.
Wie groß der Einfluss der Geschlechtshormone auf die Entstehung des Trockenen Auges ist, ist mittlerweile gut untersucht. So haben Untersuchungen gezeigt, dass die Symptome im Rhythmus des Menstruationszyklus mit seinen an- und absteigenden Östrogenspiegeln schwanken (4). Auch klagen Frauen, die die Pille nehmen, oft über verstärkte Symptome des Trockenen Auges (5), wogegen die Beschwerden während einer Schwangerschaft meist abnehmen (6). „Der zunächst naheliegende Gedanke, dass eine Hormonersatztherapie in den Wechseljahren auch das Trockene Auge lindern könnte, hat sich jedoch nicht bestätigt“, sagt Messmer. Im Gegenteil: Seit der groß angelegten Women‘s Health Study mit über 25.000 Teilnehmerinnen im Jahr 2001 ist bekannt, dass die Einnahme von Hormonen – vor allem von hochdosierten Östrogenen – die Symptome des Trockenen Auges sogar verstärkt (7).
Seit einigen Jahren versuchen Mediziner, aus diesen Beobachtungen Therapiemaßnahmen abzuleiten. „In mehreren Studien wurde die Wirkung von Augentropfen untersucht, die etwa Östrogen oder Testosteron direkt ins Auge bringen“, so DOG-Expertin Messmer. Erste Ergebnisse seien ermutigend (8,9), allerdings würden noch größere kontrollierte Studien benötigt, um den Effekt zu evaluieren.
Patientinnen mit ausgeprägten oder anhaltenden Beschwerden sollten auf jeden Fall augenärztlichen Rat einholen, um die individuellen Ursachen des Trockenen Auges und die genaue Zusammensetzung des Tränenfilms untersuchen zu lassen. „Nicht immer reicht ein einfacher Tränenersatz für die Behandlung aus“, betont Messmer. Es könne auch die Gabe entzündungshemmender Augentropfen notwendig sein. Liegt eine Störung der Meibomdrüsen vor, empfiehlt die Münchener Augenärztin eine konsequente Lidkantenpflege: „Morgens und abends feuchtwarme Abschminkpads für fünf Minuten auf die Augen legen, dann Unter- und Oberlid mit einem Wattestäbchen sanft in Richtung Lidkante ausstreichen – das löst verdicktes Sekret aus den Meibomdrüsen.
Quellen:
(1) Garcia-Alfaro P, Bergamaschi L, Marcos C, Garcia S, Rodríguez I. Prevalence of ocular surface disease symptoms in peri- and postmenopausal women. Menopause. 2020 Sep;27(9):993-998. doi: 10.1097/GME.0000000000001565. PMID: 32852450.
(2) P. Garcia-Alfaro, S. Garcia, I. Rodriguez & C. Vergés (2021) Dry eye disease symptoms and quality of life in perimenopausal and postmenopausal women, Climacteric, 24:3, 261-266, doi: 10.1080/13697137.2020.1849087.
(3) Messmer EM: The pathophysiology, diagnosis and treatment of dry eye disease. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 71–82. doi: 10.3238/arztebl.2015.0071.
(4) Versura P, Fresina M, Campos EC. Ocular surface changes over the menstrual cycle in women with and without dry eye. Gynecological Endocrinology: the Official Journal of the International Society of Gynecological Endocrinology. 2007 Jul;23(7):385-390. doi: 10.1080/09513590701350390. PMID: 17701769.
(5) Boga A, Stapleton F, Briggs N, Golebiowski B. Daily fluctuations in ocular surface symptoms during the normal menstrual cycle and with the use of oral contraceptives. Ocul Surf. 2019 Oct;17(4):763-770. doi: 10.1016/j.jtos.2019.06.005. Epub 2019 Jun 19. PMID: 31226422.
(6) Samuel Kyei, Richard K. Dadzie Ephraim, Stephen Animful, Madison Adanusa, Stephen Karim Ali-Baya, Belinda Akorsah, Mabel Antwiwaa Sekyere, Kofi Asiedu, "Impact of Serum Prolactin and Testosterone Levels on the Clinical Parameters of Dry Eye in Pregnant Women", Journal of Ophthalmology, vol. 2020, Article ID 1491602, 8 pages, 2020. doi: 10.1155/2020/1491602.
(7) Schaumberg DA, Buring JE, Sullivan DA, Dana MR. Hormone replacement therapy and dry eye syndrome. JAMA. 2001 Nov 7;286(17):2114-9. doi: 10.1001/jama.286.17.2114. PMID: 11694152.
(8) Schmidl, D., Szalai, L., Kiss, O.G. et al. A Phase II, Multicenter, Randomized, Placebo-Controlled, Double-Masked Trial of a Topical Estradiol Ophthalmic Formulation in Postmenopausal Women with Moderate-to-Severe Dry Eye Disease. Adv Ther 38, 1975–1986 (2021). doi: 10.1007/s12325-021-01680-3.
(9) R.M. Schiffman, R. Bradford, B. Bunnell, F. Lai, P. Bernstein, S.W. Whitcup; A Multi–Center, Double–Masked, Randomized, Vehicle–Controlled, Parallel Group Study to Evaluate the Safety and Efficacy of Testosterone Ophthalmic Solution in Patients With Meibomian Gland Dysfunction . Invest. Ophthalmol. Vis. Sci. 2006;47(13):5608.
Quelle: Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG)