Katarakt: Wer nach der Operation ohne Brille auskommt
Mit einer Kataraktoperation können heute durch die Implantation moderner Kunstlinsen alle Fehlsichtigkeiten auf einen Schlag beseitigt werden. Hoffnung auf vollkommene Brillenfreiheit dürfen sich Patientinnen und Patienten mit ansonsten gesunden Augen machen, die Kompromisse eingehen wollen und können. Wie diese Kompromisse aussehen, erläutert Prof. Anja Liekfeld, Chefärztin der Augenklinik am Ernst von Bergmann Klinikum in Postdam.
Die Katarakt entwickelt sich meist ab dem 50. Lebensjahr. Allmählich trübt sich die Augenlinse ein, was zu nachlassendem Sehvermögen führt. „Man sieht zunehmend unscharf und verschwommen und reagiert auf Blendungen empfindlicher“, erläutert Professor Dr. med. Anja Liekfeld, Chefärztin der Klinik für Augenheilkunde am Ernst von Bergmann Klinikum in Postdam. Eine Operation, bei der die trübe Augenlinse entfernt und eine Kunstlinse implantiert wird, stellt das Sehvermögen wieder her. Die Staroperation gehört zu den häufigsten Eingriffen überhaupt in Deutschland, etwa 800.000 Katarakte werden jährlich operativ korrigiert.
Die gesetzlichen Krankenkassen kommen für die Implantation einer Standardkunstlinse auf, die nur eine Entfernung scharf abbildet – die meisten wählen die Ferne. „Für alle anderen Abstände benötigt man dann nach der Operation eine Brille“, erläutert Liekfeld. Besteht der Wunsch nach weitergehender Brillenunabhängigkeit, müssen Sonderlinsen herangezogen werden, die teurer sind. „Dabei handelt es sich um Kunstlinsen, die mehrere Brennpunkte oder einen „erweiterten Fokus“ generieren, sogenannte „Multifokallinsen“ oder „EDOF“-Linsen („EDOF“ = „extended depth of focus“, übersetzt: „erweiterte Tiefenschärfe“). Inzwischen sind vielfache Varianten dieser Kunstlinsen mit unterschiedlichen optischen Prinzipien und Schwerpunkten auf dem Markt, sodass sehr individuell auf die konkreten Bedürfnisse eines jeden Patienten eingegangen werden kann.“ Im Fall einer Hornhautkrümmung kommen sogenannte torische Linsen zum Einsatz.
Da die gesetzlichen Versicherer nur einen Eingriff mit Standardlinsen übernehmen, müssen Patientinnen und Patienten die Differenz für Sonderlinsen aus eigener Tasche zuzahlen. „Auch vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, im Vorfeld einer Kataraktoperation mit den Patientinnen und Patienten sorgfältig zu klären, für welche Bedingungen auf eine Brille verzichtet werden soll: für die Ferne, den mittleren Abstand – wie bei der PC-Arbeit –, die Nähe oder alle Abstände gleichermaßen“, betont die Potsdamer Ophthalmologin.
Dabei gilt: Wer auf allen Distanzen ohne Brille auskommen möchte, muss zunächst einmal gesundheitliche Voraussetzungen erfüllen. „Mehrstärkenlinsen kommen nur infrage, wenn das Auge – abgesehen vom Grauen Star – ansonsten gesund und nicht etwa durch altersabhängige Makuladegeneration oder den Grünen Star vorgeschädigt ist“, erklärt Liekfeld. Dies müsse durch entsprechende Voruntersuchungen geklärt werden. Darüber hinaus müssten die Patienten und Patientinnen auch über die Nachteile der Sonderlinsen informiert werden, fügt die DOG-Expertin hinzu.
„Mehrstärkenlinsen stellen immer einen Kompromiss dar“, erläutert die Chefärztin. „Beispielsweise ist das Lesen eines Buches oder einer Speisekarte nur bei guter Beleuchtung möglich, nicht etwa bei Kerzenschein“, so Liekfeld. Auch das Kontrastsehen ist weniger ausgeprägt. Zu den Nachteilen gehören darüber hinaus erhöhte Licht- und Blendempfindlichkeit bei Dämmerung und Dunkelheit – es können Phänomene wie Lichtringe (Halos) oder Sterne (Starburst) auftreten. „Daher muss vor der Operation sorgfältig mit dem Patienten besprochen werden, ob die individuellen Anforderungen an das Sehen durch eine Sonderlinse erfüllt werden können“, betont Liekfeld.
Trotz aller Einschränkungen, meint die Augenexpertin, könne man festhalten: „Die große Vielfalt an Kunstlinsen mit unterschiedlichen optischen Prinzipien und Schwerpunkten ermöglicht es heute, in vielen Fällen Fehlsichtigkeiten auszugleichen und eine Brillenunabhängigkeit zu erreichen.“
Quelle: DOG