BGH-Urteil zum Einsatz des Femtosekundenlasers bei Katarakt
In einer ersten Entscheidung hatte der BGH, Urt. v. 14.10.2021, III ZR 350/20, den Fall eines 79-jährigen Patienten zu entscheiden, bei dem die Indikation zum Einsatz des Femtosekundenlasers bei Katarakt mit dem bloßen Hinweis auf sein vorgerücktes Alter begründet worden war. Diese Begründung genügte dem BGH nicht. Er verlangt patientenindividuell eine tragfähige Indikation zum Lasereinsatz, die ärztlich dokumentiert werden muss.
Der Kläger hatte durch seine Anwälte aber nicht ausführen lassen, dass aufgrund seines Alters ein von der Standardmethode abweichendes ärztliches Vorgehen medizinisch geboten gewesen sei oder die Behandlung mit dem Femtosekundenlaser bei Patienten in fortgeschrittenem Alter über eine Vorbereitung der Katarakt-Operation hinausgehe. Mangels hinreichenden Sachvortrages des Klägers zu einer „individuellen Indikation“ für den Einsatz eines Femtosekundenlasers war die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach der Einschätzung des BGH zu keinem Zeitpunkt des Rechtsstreites über drei Instanzen hinweg veranlasst gewesen. Erforderlich wäre ein Vortrag gewesen, sofern bei dem Patienten tatsächlich gegeben, dass bei dem Kläger nicht nur eine altersgruppentypische Linsenhärte vorliegt, sondern vielmehr ein deutlich erhöhter Härtegrad der Linse. Eine Einordnung der Linsenhärte dieses Patienten nach LOCS III (Lens-Opacity-Classification-System) hätte erfolgen sollen, dies verbunden mit dem Hinweis, dass mit einem solchermaßen individuell erhöhten Härtegrad der Linse, die bei dem konventionellen Verfahren erforderliche Ultraschallenergie ansteigt. Eine so drohende Schädigung des Endothels könne bei dem Einsatz des Lasers in dieser Befundsituation weitgehend vermieden werden. Dann hätte sich dieser Patientenbefund individuell abgehoben vom Durchschnitt des Patientenkolletivs dieser Altersgruppe und der BGH wäre hierzu vermutlich in eine Beweisaufnahme eingestiegen oder hätte den Fall zurückverwiesen.
Somit spielten befundbezogene Gesichtspunkte für die juristische Beurteilung gar keine Rolle, abgesehen von einer generellen Bewertung des Femtosekundenlasereinsatzes bei Katarakt, also dessen, was für die Beurteilung eines jeden Patientenfalles generalisiert und überindividuell maßgeblich ist. Unerheblich blieb deshalb für die Gerichte aller drei Instanzen, dass der Lasereinsatz bei einem jeden Patienten den Endothelzellbestand schützt im Vergleich zu einem konventionellen Vorgehen. Denn die Optimierung einer Operationsausführung auch im Sinne einer höheren Präzision chirurgischen Vorgehens stellt lediglich eine Variation derselben dar und keine selbständige Leistung. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn patientenindividuell eine tragfähige Indikation zum Lasereinsatz ärztlich dokumentiert worden wäre. Dies war hier nicht der Fall gewesen und konnte anwaltlich somit auch nicht vorgetragen werden. Deshalb erwies sich die ärztliche Abrechnung als falsch, da 5855a GOÄ nur dann abgerechnet werden darf, wenn eine eigenständige Indikation für den Lasereinsatz nachgewiesen werden kann.
Richtigerweise geht das Gericht in der Folge davon aus, dass bei Patienten, bei denen aus dem medizinischen Befund heraus kein individueller Befund/Grund für die Laseranwendung spricht, die Kataraktoperation selbstverständlich auch ohne den Laser ausgeführt werden kann und darf und für die Abrechnung des Lasers dann aus Gründen des Doppelberechnungsverbot kein Raum ist.
Nr. 441 GOÄ ist danach für den Lasereinsatz als Zuschlagposition abzurechnen, nicht aber, wenn der Laser mit einer eigenständigen Indikation zur Anwendung gelangt.
Bei der von dem BGH alleine vorgenommenen (und durch die Behandlerseite alleine veranlassten) Beurteilung, ob der Lasereinsatz für einen jeden Patienten indiziert ist oder nicht, und zwar unabhängig von einer medizinischen Bewertung seiner Ausgangsbefunde, konnte ein anderes Ergebnis als die Revisionszurückweisung nicht erwartet werden.
Es sind somit die Zeiten vorbei, in denen der Lasereinsatz auch ohne die Benennung einer eigenständigen individuellen Indikation durch einen Mediziner eine sehr gute Erstattungsaussicht für den Patienten bot. Nicht ausreichend ist der generelle Hinweis auf Empfehlungen von Fachgesellschaften zu einzelnen Befundgruppen. Zwar hatte die DOG schon 2015 darauf hingewiesen, dass eine fortgeschrittene Kernsklerose oder eine präoperativ reduzierte Endothelzellzahl u.U. eine Indikation zum Lasereinsatz darstellen könne. Damit ist aber noch nicht in juristisch überprüfbarer Weise dargelegt, dass gerade bei dem operierten Patienten ein solcher Befund auch wirklich angetroffen wurde, und zwar in welcher Ausprägung und welche medizinischen Erwägungen sich für die Methodenwahl daran angeschlossen haben.
Den Substantiierungsanforderungen des BGH im Hinblick auf eine eigenständige Indikation genügte dagegen eine kürzlich ergangene Entscheidung des AG Köln, Urt. v. 06.10.2021, 146 C 112/20, wonach eine auf 2186 reduzierte Zellzahl im Endothel eine klare Laserindikation darstelle. Je nach Ausgangsbefund könnte dann ein konventionelles Verfahren sogar kontraindiziert sein. Diese Entscheidung ist rechtskräftig geworden. In dieser Konstellation ist der Arzt gegenüber diesem Patienten sogar verpflichtet, auf die konventionelle Operationstechnik zu verzichten und an ein Laser-spezialisiertes Zentrum zu überweisen. Auf der Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens führte das Amtsgericht aus:
Vorliegend war der Kläger gemäß den Ausführungen des Sachverständigen darauf angewiesen, vor dem Verlust weiterer Endothelzellen geschützt zu werden. Der Verlust zu vieler Endothelzellen könne zu einer konsekutiven Trübung der Hornhaut infolge der im Rahmen der herkömmlichen Kataraktchirurgie angewandten Ultraschallenergie führen und eine Übertragung von Spender-Hornhautgewebe notwendig machen. Die Femtosekundenlaser assistierte Kataraktchirurgie vermindere signifikant die Schädigung der Endothelzellen der Hornhaut. Dies erfolge durch den geringeren Bedarf an Ultraschallenergie zur Absaugung des harten Linsenkerns, da dieser nach der Laserbehandlung vorfragmentiert sei. Diese Schädigung der Endothelzellen könne zur gefürchteten Quellung der Hornhaut mit konsekutiv einem schlechten Sehen und Notwendigkeit einer Übertragung von Endothelzellen eines toten Menschen führen. Spendergewebe sei jedoch nur begrenzt verfügbar und oft mit langen Wartezeiten verbunden. Zudem führe das Spendergewebe oft nicht zu einer kompletten Regeneration der Sehfähigkeit. Aufgrund der bei dem Kläger festgestellten Endothelzelldichte sei festzustellen, dass diese bezgl. beider Augen im Vergleich zu gleichaltrigen Männern vermindert gewesen sei. Die Anwendung des Femtosekundenlasers führe im Vergleich zu der herkömmlichen Kataraktchirurgie zu ca. 30% weniger Verlust von Endothelzellen (345 zu 500). Angesichts der vergleichsweise geringen Endothelzelldichte des Klägers [vgl. S. 3 des Urteilsabdrucks: 2186] ergebe sich im konkreten Vergleich eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Abfalls der Endothelzelldichte unter einen Wert, der eine Sehstörung durch Hornhautödem verursachen würde. Daher hat vorliegend die Indikation der verminderten Endothelzelldichte für die Verwendung des Femtosekundenlasers bestanden.
Der BGH hat mit seiner Entscheidung nun klargestellt, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers keine neue Operationstechnik sei, da auf die Phakoemulsifikation (so wie in der Leistungslegende der Nr. 1375 GOÄ vorgesehen) bei der Katarakt-OP eben nicht stets verzichtet werden könne (sog. Zero-Phako). Zugleich hat er klar gemacht, dass bei nachgewiesener eigenständiger Indikation eine Abrechnung über die Nr. 441 GOÄ hinaus möglich und geboten ist.
Rechtsanwalt Michael Zach
Kanzlei für Medizinrecht