US-Studie: Kataraktoperation kann Demenzrisiko um 30 % senken
Die in der Fachzeitschrift JAMA Internal Medicine veröffentlichten Ergebnisse einer Studie der University Of Washington School Of Medicine legen nahe, dass eine Kataraktoperation das Risiko, an einer Demenz bzw. Alzheimer zu erkranken, um 30 % senkt. Dieses verringerte Risiko blieb mindestens ein Jahrzehnt nach der Operation bestehen.
Die Forscherinnen und Forscher der University Of Washington School Of Medicine in Seattle nutzen Daten der seit 1994 laufenden Beobachtungsstudie Adult Changes in Thought (ACT) mit rund 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Alter von über 65 Jahren. Sie analysierten die Daten von Probanden, bei denen eine Katarakt oder ein Glaukom diagnostiziert wurde, die aber zum Zeitpunkt ihrer Teilnahme an der Studie nicht an Demenz erkrankt waren und sich noch keiner Kataraktoperation unterzogen hatten.
Die Teilnehmer wurden alle zwei Jahre anhand des Cognitive Abilities Screening Instrument auf ihre kognitiven Fähigkeiten hin untersucht. Bei diesem Test können bis zu 100 Punkte erreicht werden. Teilnehmer, die weniger als 85 Punkte erreichen, wurden weiteren neurologischen Tests unterzogen.
Während der Nachbeobachtung von 3.038 Teilnehmern entwickelten 853 Personen eine Demenz, davon 709 Alzheimer. Etwa die Hälfte der Teilnehmer (1.382 Personen oder 45 %) hatte eine Kataraktoperation. Die Analyse des Demenzrisikos ergab, dass die Wahrscheinlichkeit, an einer Demenz zu erkranken, bei Personen, die sich einer Kataraktoperation an einem der beiden Augen unterzogen hatten, für mindestens zehn Jahre nach der Operation um etwa 30 % geringer war. Interessanterweise ergab die Studie auch, dass eine Glaukomoperation keinen Einfluss auf das Demenzrisiko zu haben scheint.
Kein anderer Eingriff zeigte einen so starken Zusammenhang mit der Verringerung des Demenzrisikos
Die leitende Forscherin Dr. Cecilia S. Lee erklärte, dass die Beobachtungsstudie um eine Reihe potenzieller Verzerrungen bereinigt wurde, aber dennoch einen starken Zusammenhang ergab. „Das ist wirklich aufregend, denn kein anderer medizinischer Eingriff hat einen so starken Zusammenhang mit der Verringerung des Demenzrisikos bei älteren Menschen gezeigt“.
Die Mechanismen, durch die die Kataraktoperation und das verringerte Demenzrisiko miteinander verbunden sind, wurden in dieser Studie nicht ermittelt. Die Forscher stellen die Hypothese auf, dass die Menschen nach einer Kataraktoperation möglicherweise einen qualitativ besseren sensorischen Input erhalten, was sich positiv auf die Verringerung des Demenzrisikos auswirken könnte. Alterskrankheiten treten in der Regel nicht isoliert auf, sondern sind häufig mit einer oder mehreren Krankheiten verbunden. Schlechtes Sehvermögen führt oft zu Isolation und Inaktivität, was die Demenz beschleunigen kann.
„Diese Ergebnisse stimmen mit der Vorstellung überein, dass die sensorische Versorgung des Gehirns wichtig für die Gesundheit des Gehirns ist", sagte Mitautor Dr. Eric B. Larson, einer der Hauptautoren der ACT-Studie.
Auch blaues Licht, das auf die lichtempfindlichen Ganglienzellen der Retina einwirkt, wird mit positiven Auswirkungen auf die kognitiven Funktionen und eine Demenz in Verbindung gebracht. Die Forscher konstatieren, dass die kataraktbedingte gelblich-graue Eintrübung der Linse das blaue Licht blockiert, was möglicherweise den Ausbruch der Demenz durch Hemmung der geistigen Stimulation beschleunigt.
Eine weitere Rolle spielt möglicherweise auch die Gefäßgesundheit: Sehstörungen gehen häufig mit einer Verringerung der Mobilität und Aktivität einhergehen, was zu einer schlechten Gefäßgesundheit beiträgt – einem wichtigen Risikofaktor für das Auftreten und Fortschreiten einer Demenz. Die Wiederherstellung des Sehvermögens durch eine Kataraktoperation begünstigt eine aktivere Lebensweise, was die Gefäßgesundheit verbessert und damit das Demenzrisiko verringert.
Zusammenhang zwischen Katrarakt und Demenz wurde bereits Anfang der 2004 beschrieben
Der Zusammenhang zwischen altersbedingter Sehminderung und abnehmender Intelligenz wurde bereits Anfang der 2000er Jahre von dem Diplom-Psychologen Dr. Siegfried Lehrl und dem Ophthalmologen Dr. Kristian Gerstmeyer untersucht. In ihrem Aufsatz „Systematische Fehleinschätzung von Altersdemenz durch kataraktbedingte Minderung der Informationsverarbeitung“ (Der Ophthalmologe, 2/2004) konstatieren sie, dass sich nach einer Kataraktoperation die Intelligenzleistungen älterer Personen deutlich verbessert. Die Autoren untersuchten 40 über 73-jährige. Vor der Kataraktoperation und einige Wochen später unterzogen sie die Probanden dem „Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung“ (KAI), der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und Kurzzeitspeicherkapazität misst. Dient die Kurzzeitspeicherkapazität als Beurteilungskriterium, hätte bei 25 Teilnehmern ein Demenz-Verdacht nahe gelegen. Durch das Einsetzen von IOL verbesserte sich die Speicherkapazität je nach Teilstudie im Mittel um 26,5 bis 71,1 %. Dagegen blieb sie in einer unbehandelten Kontrollgruppe so gut wie unverändert (+1,8 %).
Quellen / weitere Informationen:
Study: Cataract surgery linked with lessened dementia risk
Association Between Cataract Extraction and Development of Dementia
DGII 2009: Katarakt-OP erhöht die Intelligenz
Systematische Fehleinschätzung von Altersdemenz durch kataraktbedingte Minderung der Informationsverarbeitung?